Berufungsgericht weist Trump-Regierung zurück – Jetzt soll der Supreme Court SNAP-Zahlungen stoppen

VonRainer Hofmann

November 8, 2025

Es war ein juristischer Schlagabtausch, der in seiner Geschwindigkeit selbst erfahrene Beobachter überraschte. Innerhalb weniger Stunden nach dem Eilantrag der Trump-Regierung verfügte das Berufungsgericht in Boston, dass die vollen Leistungen des „Supplemental Nutrition Assistance Program“ – kurz SNAP – ausgezahlt werden müssen. Die Entscheidung bestätigte das Urteil des Bundesrichters John J. McConnell Jr. aus Rhode Island, der die Regierung verpflichtet hatte, die November-Zahlungen vollständig zu leisten. Die Trump-Administration hatte argumentiert, ihr stehe nur ein begrenzter Notfallfonds zur Verfügung und sie könne nicht mehr Geld ausgeben, als dort vorhanden sei. Stattdessen wollte sie die Leistungen kürzen und nur Teilbeträge überweisen, bis der Kongress neue Mittel freigibt. Doch das Dreier-Panel des First Circuit Court of Appeals lehnte diese Begründung einstimmig ab. Die Richterinnen O. Rogeriee Thompson, Lara Montecalvo und der ehemalige Chief Judge Jeffrey Howard entschieden, dass die Regierung gesetzlich verpflichtet sei, die Bedürftigen in voller Höhe zu versorgen – unabhängig davon, ob die politischen Verhandlungen über das Haushaltsgesetz ins Stocken geraten sind.

Damit bleibt die Anordnung bestehen: Millionen von Amerikanern erhalten ihre Unterstützung für November vollständig. Das Ernährungsprogramm versorgt derzeit rund 42 Millionen Menschen – etwa jeden achten Bürger – und gilt als wichtigste staatliche Hilfe gegen Hunger. In einem internen Memo hatte das Landwirtschaftsministerium (USDA) den Bundesstaaten mitgeteilt, man arbeite daran, die Mittel bis Freitag freizugeben. Schon am Abend bestätigten Beamte in mehreren Staaten, dass erste Zahlungen eingegangen sind.

Hinter den Kulissen jedoch spitzt sich der Konflikt zu. Noch am selben Abend wandte sich die Regierung an den Supreme Court, um die Entscheidung des Berufungsgerichts außer Kraft zu setzen. Das Justizministerium argumentiert, die Anordnung zwinge die Exekutive zu Ausgaben, für die keine haushaltsrechtliche Deckung existiere – ein direkter Eingriff der Justiz in die Budgethoheit des Präsidenten. Juristisch ist das ein seltener Schritt: Es geht um die Grenze zwischen Notstandsverwaltung und verfassungsmäßiger Pflicht, Sozialprogramme aufrechtzuerhalten.

Richter McConnell hatte in seiner ursprünglichen Begründung geschrieben, dass die Weigerung, die vollen Leistungen auszuzahlen, „nicht nur rechtswidrig, sondern moralisch unhaltbar“ sei, solange der Kongress keine Gesetzesänderung beschlossen habe. Das Berufungsgericht ließ diese Einschätzung unangetastet und formulierte scharf, dass die Regierung „nicht nach Belieben festlegen“ könne, welche Programme sie in Krisenzeiten bediene und welche nicht. Für Millionen Familien ist das Urteil mehr als ein technischer Sieg. Es bedeutet, dass Kühlschränke nicht leer bleiben und Kinder in Armutshaushalten nicht auf das nächste Lebensmittelpaket warten müssen. Für die Regierung dagegen wird es zum Symbol ihrer Haushaltsmisere – und zum Risiko. Denn sollte der Supreme Court den Fall annehmen, könnte daraus ein Grundsatzurteil entstehen, das künftig alle sozialen Programme betrifft, die von befristeten Fonds abhängen.

Bis dahin gilt die Entscheidung: Die SNAP-Zahlungen für November müssen in voller Höhe ausgezahlt werden. In Washington aber wächst die Nervosität. Dass der Präsident nun persönlich versucht, das Oberste Gericht einzuschalten, zeigt, wie politisch aufgeladen selbst die Grundversorgung geworden ist – und wie dünn die Linie geworden ist, die in Amerika Armut vom Überleben trennt.

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