Es war ein stilles, aber bemerkenswertes Eingeständnis. Das Berufungsgericht des neunten Bezirks mit Sitz in San Francisco hat seine eigene Entscheidung im Fall State of Oregon, City of Portland v. Donald J. Trump aufgehoben. Unterzeichnet wurde der Beschluss von Chief Judge Mary H. Murguia, die nach Abstimmung der aktiven Richterinnen und Richter entschied, den Fall erneut in voller Besetzung zu verhandeln. Damit ist das Urteil, das Trumps Einsatz der Nationalgarde in Portland gebilligt hatte, nicht mehr gültig.

In der offiziellen Verfügung heißt es: „Auf die Abstimmung der Mehrheit der nicht ausgeschlossenen aktiven Richter wird angeordnet, dass dieser Fall gemäß Regel 40(c) der Federal Rules of Appellate Procedure erneut verhandelt wird. Die am 20. Oktober 2025 veröffentlichte Entscheidung wird aufgehoben.“ Mit Verweis auf Circuit Rule 40-3 stellt das Gericht klar, dass die frühere Entscheidung vollständig aufgehoben („vacated“) ist – sie hat keinerlei Rechtswirkung mehr.
Der Fall, registriert unter der Nummer No. 25-6268, geht auf eine Klage des Bundesstaates Oregon und der Stadt Portland gegen den damaligen Präsidenten Donald J. Trump, Verteidigungsminister Peter Hegseth und Heimatschutzministerin Kristi Noem zurück. Geführt wurde das Verfahren im U.S. District Court for the District of Oregon, Portland Division, bevor es an das Berufungsgericht in San Francisco ging.
Der Hintergrund ist heikel. Der Einsatz, um den es geht, beruhte auf einem Bild von Chaos, das es so gar nicht gegeben hat. Die Trump-Regierung hatte behauptet, Portland stehe 2025 erneut in Flammen – eine Neuauflage der Unruhen von 2020. Doch genau das war gelogen. Mehrere Medien, darunter auch wir, die das Vorgehen als erste aufgedeckt hatten, konnten belegen, dass die Bilder, die das Weiße Haus als Beweis für „anhaltende Gewalt“ präsentierte, aus den George-Floyd-Protesten fünf Jahre zuvor stammten.
Hier die Links zu unseren damaligen Recherchen und Artikel: „Die große Lüge von Portland – Wie Fox News Trump füttert und eine Stadt zum Feindbild macht unter dem Link: https://kaizen-blog.org/die-grosse-luege-von-portland-wie-fox-news-trump-fuettert-und-eine-stadt-zum-feindbild-macht/ und der Artikel: „Die große Lüge von Portland II – Trumps Drohung, Fox’ Bilder und die Wahrheit auf der Straße“ unter dem Link: https://kaizen-blog.org/die-grosse-luege-von-portland-ii-trumps-drohung-fox-bilder-und-die-wahrheit-auf-der-strasse/
Sie zeigten dieselben Straßen, denselben Justizbau, dieselben Nächte – aber eben aus 2020. Alle Aufnahmen stammten aus Portland, wurden jedoch Jahre später über Fox News erneut ausgestrahlt und dort als aktuelle Szenen eines angeblichen Aufstands dargestellt. Die Bilder zeigten die Umgebung des Mark O. Hatfield Federal Courthouse, wo Demonstranten und Sicherheitskräfte im Sommer 2020 tagelang aufeinandertrafen. Diese Manipulation war keine Nebensache. Sie diente als Grundlage der juristischen Argumentation, mit der der Einsatz der Nationalgarde gerechtfertigt wurde. Ohne diese Bilder hätte es keine greifbare Bedrohungslage gegeben. Dass der 9. Circuit das frühere Urteil nun zurücknimmt, ist daher auch eine indirekte Korrektur der politischen Falschdarstellung, die diesem Fall zugrunde lag.
Die vorsitzende Richterin Murguia, die den Beschluss unterzeichnete, ist seit 2011 Mitglied des Gerichts und gilt als zurückhaltende, aber kompromisslose Juristin, wenn es um verfassungsrechtliche Fragen der Exekutivmacht geht. Ihr knapper, sachlicher Ton im Beschluss unterstreicht die Tragweite des Vorgangs: Das Gericht hat nicht nur seine Meinung geändert – es hat seine eigene Entscheidung aus dem Verkehr gezogen. Dass dies geschieht, ist selten. En-banc-Verfahren, also Neuverhandlungen vor allen aktiven Richterinnen und Richtern eines Berufungsgerichts, werden nur in Ausnahmefällen zugelassen – etwa wenn ein Urteil als grundlegend fehlerhaft oder verfassungsrechtlich bedenklich gilt.
In der für Trump sehr schädlichen Formulierung „die Entscheidung wird aufgehoben“ steckt daher weit mehr, als juristische Routine vermuten lässt. Es ist ein stilles Eingeständnis, dass Politik, Propaganda und Gerichtsbarkeit sich in diesem Fall zu nahe gekommen sind, dass Beweise durch Journalisten nicht berücksichtigt wurden – und dass die Wahrheit, mühsam dokumentiert, am Ende doch ihren Platz findet. Für Portland ist das späte Gerechtigkeit. Für die amerikanische Justiz ist es ein Zeichen, dass Selbstkorrektur möglich ist – selbst dann, wenn sie den eigenen Namen trägt.
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Es sieht für mich so aus, als würden sich z.Z. in der Justiz der USA nur Frauen etwas trauen. Wo sind die männlichen Kollegen 🤔