Architektur der Korruption – Trump entlässt die gesamte Kunstkommission und plant ein neues Versailles im Weißen Haus

VonRainer Hofmann

Oktober 29, 2025

Es war ein Schlag gegen jede Form unabhängiger Kontrolle: Das Weiße Haus hat alle sechs Mitglieder der Commission of Fine Arts entlassen, jener traditionsreichen Bundeskommission, die seit mehr als einem Jahrhundert über die architektonische und ästhetische Gestaltung der US-Hauptstadt wacht. Die Kündigungen kamen per E-Mail, ohne Vorwarnung, ohne Begründung.

„Im Namen von Präsident Donald J. Trump schreibe ich Ihnen, um Sie darüber zu informieren, dass Ihre Position als Mitglied der Commission of Fine Arts mit sofortiger Wirkung beendet ist“, heißt es in der Nachricht, die wir einsehen konnten. Absender: ein Mitarbeiter aus dem Präsidialbüro für Personalfragen.

Betroffen ist das gesamte Gremium – sämtliche sechs Mitglieder, allesamt von Präsident Joe Biden für eine vierjährige Amtszeit ernannt. Die Entlassungen markieren nicht nur einen institutionellen Bruch, sondern auch einen symbolischen: den Versuch, die letzten verbliebenen Reste unabhängiger Gestaltungshoheit in Washington unter politische Kontrolle zu bringen. Die Commission of Fine Arts wurde 1910 vom US-Kongress gegründet. Ihre Aufgabe: die Regierung in Fragen von Architektur, Kunst und nationaler Symbolik zu beraten und die historische Stadtstruktur zu schützen. Sie war nie ein machtvolles Organ – aber ein Bollwerk gegen Geschmacklosigkeit, Größenwahn und politische Einflussnahme. Dass Trump sie nun auf einen Schlag entlässt, sagt mehr über seine Haltung zu öffentlicher Ästhetik als jede Rede: Architektur als Instrument der Macht.

Unsere Recherchen belegen, dass die Entscheidung in direktem Zusammenhang mit Trumps neuen Bauplänen im Weißen Haus steht. Bereits im Sommer hatte er den vollständigen Umbau des Ostflügels angeordnet – an dessen Stelle ein gigantischer Ballsaal entstehen soll. Laut Unterlagen umfasst das Projekt über 8.000 Quadratmeter, die Kosten werden auf rund 280 bis 300 Millionen Dollar geschätzt. Trump selbst sprach von „privater Finanzierung“ durch sich und „Freunde und Spender“. Siehe unseren Artikel: „Trump, Tech und der Ballsaal — wie ein Präsident seinen Sonnenkönig-Traum mit Konzernkassen finanzieren lässt“ unter dem Link: https://kaizen-blog.org/trump-tech-und-der-ballsaal-wie-ein-praesident-seinen-sonnenkoenig-traum-mit-konzernkassen-finanzieren-laesst/

Ob die Kunstkommission überhaupt Mitspracherecht gehabt hätte, ist juristisch umstritten. Nach bisheriger Praxis hätte sie zumindest Empfehlungen abgeben müssen. Doch Trump hat die Zuständigkeit kurzerhand verschoben – und den White-House-Stabssekretär Will Scharf, einen seiner loyalsten Vertrauten, zum Vorsitzenden der National Capital Planning Commission gemacht, die künftig allein zuständig sein soll. Zwei weitere Gefolgsleute wurden ins Gremium berufen. Damit ist die Kontrolle faktisch ausgehebelt. Die National Capital Planning Commission darf Projekte erst prüfen, wenn der Bau sichtbar begonnen hat – nicht während Abriss oder Planung. Ein juristisches Schlupfloch, das Trump gezielt nutzt. Die gesetzlichen Schutzmechanismen greifen ebenfalls nicht: Das Shipstead-Luce-Gesetz von 1930, das Eingriffe in das historische Stadtbild regelt, gilt nur für Gebäude, die auf das Weiße Haus blicken – nicht für das Weiße Haus selbst.

Was Trump also errichten möchte, ist nicht nur ein Bauwerk, sondern eine Herrschaftsinszenierung. Der geplante Ballsaal ist nur ein Teil eines größeren Projekts: ein Triumphbogen zur Feier des 250. Jahrestags der Unabhängigkeit 2026, ein neuer Rosengarten aus Marmor, und eine Reihe von „klassischen“ Regierungsbauten, die an die Monumentalarchitektur vergangener Imperien erinnern sollen. Trump hat sogar per Präsidialverfügung angeordnet, dass alle neuen Bundesgebäude künftig im „klassischen Stil“ errichtet werden müssen – eine Maßnahme, die brutalistische oder moderne Formen ausdrücklich ausschließt. Offiziell heißt es, man wolle „die Schönheit amerikanischer Architektur“ fördern. In Wahrheit aber entsteht ein politisches Stilprogramm, das sich an Trumps persönlichem Geschmack und Machtverständnis orientiert: groß, schwer, weiß – und demütigend in seiner Überwältigung.

Was sich hier zeigt, ist keine Frage von Architektur, sondern von Korruption durch Gestaltung. Wo früher Fachgremien entschieden, bestimmen heute Loyalität, Spendenbereitschaft und persönliche Gefälligkeiten. Die Entlassung der gesamten Kommission ist nicht einfach ein Verwaltungsakt – sie ist ein architektonischer Putsch im Herzen der amerikanischen Demokratie. Während die Baupläne im Osten des Weißen Hauses voranschreiten, ist das öffentliche Verfahren faktisch lahmgelegt. Sämtliche Mitarbeiter der Kommission wurden – offiziell wegen des Regierungsstillstands – beurlaubt. Kein Gremium tagt, keine öffentliche Sitzung findet statt. Wer jetzt Fragen stellt, erhält keine Antwort mehr.

Und doch sind die Zeichen unübersehbar. Wo einst Checks and Balances das Baugeschehen der Hauptstadt begleiteten, herrscht nun Schweigen. Es ist dieselbe Logik, die Trumps Amtszeit seit Jahren prägt: Macht als Privatbesitz, öffentliche Institutionen als Bühne persönlicher Inszenierung. Dass er jetzt auch den architektonischen Raum nach seinem Bild formt, ist nur folgerichtig. Es ist die Fortsetzung derselben Korruption, die seine politische Biografie durchzieht – diesmal in Stein, Glas und Gold gegossen. Ein Ballsaal für 280 – 300 Millionen Dollar, ein Triumphbogen für die Ewigkeit, und eine Hauptstadt, deren Geschichte umbaut wird.

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Esther Spori
Esther Spori
54 Minuten zuvor

Wenn ich dort wäre möchte ich gerne einen Kübel mit roter Farbe auf die totweissen Fassaden hinschmeissen…und ich denke, dass das auch passieren wird ohne meine Hilfe….

Zuletzt bearbeitet 52 Minuten zuvor von Esther Spori
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