Es ist ein Exodus, wie ihn Washington selten gesehen hat – und ein unmissverständliches Signal aus den innersten Kreisen des amerikanischen Rechtsstaats: Seit der Wiederwahl Donald Trumps zum Präsidenten der Vereinigten Staaten haben zwei Drittel der Anwältinnen und Anwälte jenes Referats im Justizministerium ihren Dienst quittiert, das für die Verteidigung der Regierungspolitik zuständig ist. Genauer: 69 von 110 Juristinnen und Juristen der „Federal Programs Branch“, einer zentralen Einheit des Department of Justice (DOJ), haben seit der Wahl 2024 das Handtuch geworfen. Und die Gründe liegen offen zutage. „Client from hell“ – so nennen manche hinter vorgehaltener Hand ihren neuen alten Auftraggeber. Ein Mandantenverhältnis, das für viele unerträglich geworden ist. Denn was einst als nüchterne Rechtsvertretung einer demokratisch gewählten Regierung begann, hat sich in wenigen Monaten zur Belastungsprobe für das berufsethische Gewissen entwickelt. Statt Gesetzesvorhaben zu verteidigen, geht es nun um das juristische Abfangen autoritärer Dekrete, um das Verschleiern politischer Racheakte, um die Abwehr einer Klageflut gegen Maßnahmen, die selbst in Regierungskreisen als rechtlich fragwürdig gelten.
Trumps zweite Amtszeit gleicht in vielen Punkten einer Kampagne gegen das institutionelle Rückgrat der Vereinigten Staaten. Anti-Migrationsgesetze, Eingriffe in das Asylrecht, Angriffe auf Diversity-Programme, Aufweichung von Pressefreiheit, gezielte Schwächung internationaler Abkommen – und immer neue Erlässe, die binnen Stunden aus dem Weißen Haus in die Gerichtsakten wandern. Für die Federal Programs Branch bedeutet das: ständiger Alarmzustand, Nachtarbeit, moralische Zerrissenheit. Und ein Arbeitsumfeld, das sich zunehmend toxisch anfühlt. Ein ehemaliger DOJ-Anwalt, der anonym bleiben möchte, bringt es auf den Punkt: „Wir sollen nicht mehr verteidigen, wir sollen rechtfertigen – und zwar Dinge, die gegen alles verstoßen, wofür dieses Land einmal stand.“ Was ihm besonders zu schaffen machte, war die Anweisung, gegen eine Gruppe von verhafteten Journalisten im Namen der Regierung vorzugehen – mit dem Ziel, kritische Berichterstattung über ICE-Abschiebungen einzudämmen. Ein anderer Jurist berichtet von internen Meetings, in denen Anfragen zur Verfassungsmäßigkeit neuer Dekrete mit Schweigen oder Druck beantwortet wurden. „Es ging nicht mehr um Recht – sondern um Loyalität.“ In Justizkreisen kursiert mittlerweile ein Begriff für das Phänomen: „ethical attrition“ – ethisch motivierte Personalflucht. Sie trifft nicht nur junge Anwälte, sondern auch erfahrene Kräfte mit jahrzehntelanger Dienstzeit. Einige haben erklärt, nie wieder für eine Regierung arbeiten zu wollen. Andere berichten von Depressionen, Schlaflosigkeit, dem Gefühl, Teil einer Maschinerie geworden zu sein, die das Recht systematisch beugt.
Besonders brisant ist, dass viele dieser Rücktritte in einem Bereich stattfinden, der in normalen Zeiten kaum öffentlich auffällt. Die Federal Programs Branch ist zuständig für den Schutz von Regierungsvorhaben in Bereichen wie Gesundheit, Einwanderung, Bildung, Umwelt und Innerer Sicherheit. Ihre Arbeit bildet das juristische Rückgrat des Executive Branch. Dass diese tragende Säule nun bröckelt, sagt viel über die politischen Spannungen innerhalb der Regierung – und über das juristische Unbehagen gegenüber der Agenda, die Donald Trump verfolgt. Offiziell gibt sich das Justizministerium gelassen. Ein Sprecher des DOJ erklärte am Montag, man könne den erhöhten Arbeitsaufwand „mit neuen Rekrutierungen und interner Umstrukturierung kompensieren“. Doch hinter den Kulissen wächst die Sorge, dass die Qualität der Rechtsvertretung leidet – und damit auch die Fähigkeit, Trumps Politik rechtlich abzusichern. Einige Verwaltungsrichter berichten bereits von schlampig eingereichten Schriftsätzen, von Versuchen, Gerichtsentscheidungen zu umgehen, und von auffällig häufigen Vertagungen seitens der Regierung. Die Demokraten im Kongress schlagen Alarm. Senatorin Elizabeth Warren sprach von einem „beispiellosen Aderlass im Herzen unserer Justiz“ und forderte eine öffentliche Anhörung zur Lage im DOJ. Auch Menschenrechtsorganisationen sehen die Entwicklung mit Sorge. Wenn das Justizministerium zunehmend zu einer Verteidigungslinie für autoritäre Willkür verkommt, so warnen sie, droht der Rechtsstaat von innen ausgehöhlt zu werden – nicht durch äußere Gegner, sondern durch politische Selbstvergiftung. Was bleibt, ist das Bild einer Institution im Ausnahmezustand. Ein Ministerium, das unter normalen Umständen das Rückgrat der Demokratie bildet, wird zum Spielball eines Präsidenten, der kein Interesse an demokratischer Kontrolle zeigt. Und eine Anwaltschaft, die sich mit jeder neuen Order fragt: Wo endet berufliche Pflicht – und wo beginnt die Mitverantwortung? Die Antwort geben nun jene, die gehen. Und sie lautet: genau hier.

Jeder der ein Quentchen Anstand besitzt und loyal zum Gesetz und der Verfassung ist, sollte rennen.
Rennen und im gleichen Atemzug sich denen anschließen, die unermüdlichen vor den Gerichten eben genau um diese Rechte kämpfen.