Es beginnt mit einem Tweet – nicht von einem Trollaccount, nicht von einem anonymen Provokateur, sondern vom Generalstaatsanwalt Floridas. James Uthmeier, ein loyaler Weggefährte des Trump-Lagers, schreibt auf X: „Wir bekamen kürzlich einen Hinweis von jemandem, dessen gewalttätiger Ex das Touristenvisum überzogen hat. Jetzt steht seine Abschiebung an. Wenn Ihr Ex illegal im Land ist, melden Sie sich gerne bei uns. Wir helfen gern weiter.“ Dazu ein freundliches Emoji, als handle es sich um eine Dienstleistung für Scheidungssorgen – nicht um die Mobilisierung eines staatlichen Repressionsapparats. Was folgt, ist kein Dementi, keine Klarstellung. Im Gegenteil: Das Heimatschutzministerium (DHS) greift den Tweet auf – und macht Werbung. Öffentlich. Auf Regierungskanälen. In großen Lettern steht da: „From domestic abuser to deported loser.“ – Vom häuslichen Gewalttäter zum abgeschobenen Verlierer. Darunter: die Telefonnummer zur ICE-Hotline, direkt verlinkt. Ein kurzer, populistischer Spruch, wie man ihn aus Trump-Wahlkampagnen kennt – diesmal allerdings im Namen der Bundesbehörden. Was hier geschieht, ist mehr als geschmacklos. Es ist gefährlich. Denn dieser Vorstoß markiert eine neue Qualität in der Instrumentalisierung staatlicher Macht für persönliche Racheakte. Das Versprechen lautet: Wer genug Groll hegt, braucht keinen Anwalt – ein Anruf bei ICE genügt. Damit wird nicht nur ein ohnehin repressives System zur Denunziation ermuntert. Es wird auch ein neues gesellschaftliches Klima geschaffen, in dem zwischenmenschliche Konflikte in rassifizierte Machtverhältnisse umgedeutet werden. „Dein Ex ist undokumentiert? Zeig ihn an. Wir kümmern uns.“ Weder der Generalstaatsanwalt noch das DHS liefern Informationen über den angeblich verfolgten Fall. Es gibt keinen Beleg, keine Dokumentation, keine unabhängige Instanz, die prüft, ob die Anzeige berechtigt war. Der angebliche Täter bleibt anonym – genauso wie die Person, die ihn gemeldet hat. Was bleibt, ist die Inszenierung: ein moralischer Triumph, eine Retourkutsche mit offizieller Rückendeckung, ein Triumph der neuen Rechtsordnung, in der persönliche Kränkungen politische Munition werden. Doch selbst wenn es sich im Einzelfall tatsächlich um einen Gewalttäter handeln sollte – ist es dann Sache des Einwanderungsrechts, dieses Unrecht zu ahnden? Seit wann ersetzt die Visumsüberprüfung ein Gerichtsverfahren? Seit wann genügen Anschuldigungen, um das Leben eines Menschen in den Abgrund zu stoßen?


Diese neue Linie des Heimatschutzministeriums stellt den Rechtsstaat infrage – nicht weil sie Kriminelle verfolgt, sondern weil sie das Prinzip der Verhältnismäßigkeit aushebelt. Die Abschiebung wird zur Bestrafung, unabhängig vom eigentlichen Delikt. Ein Ex-Partner reicht, ein Verdacht genügt. Die Migration als Schwachstelle, die zur Waffe umfunktioniert werden kann. Trumps DHS folgt damit einem Narrativ, das längst aus dem autoritären Lehrbuch stammt: Der Staat als Erfüllungsgehilfe für individuelle Abrechnungen. Die Hotline als Bühne für die emotionale Vergeltung. Die Abschiebung als Ersatz für das, was Gerichte klären müssten – mit Beweisen, Verteidigung, Schutz von Opfern und Angeklagten gleichermaßen. In einer Gesellschaft, in der Millionen von Menschen ohne Papiere leben, viele davon in instabilen oder ausbeuterischen Beziehungen, ist diese neue Praxis ein Desaster. Sie macht sie erpressbar. Sie zerstört Vertrauen in staatliche Institutionen. Und sie sendet eine klare Botschaft: Wer nicht US-Bürger ist, lebt auf Abruf. Jeder Streit, jede Trennung, jedes Missverständnis kann zu einem Fall für ICE werden – ganz gleich, ob man Täter ist oder nicht.


Doch als wäre das nicht genug, geht die Regierung noch einen Schritt weiter – diesmal im Herzen der Everglades. Unter dem Namen „Alligator Alcatraz“ wurde Anfang Juli ein neues Abschiebezentrum eröffnet, das an Zynismus kaum zu überbieten ist. Der offizielle Slogan: „Nowhere to run. Nowhere to hide.“ – Nirgends hinlaufen. Nirgends verstecken. Auf den T-Shirts: Ein grüner Alligator, der durch Florida beißt, das Wort „Alcatraz“ in blutroten Lettern darüber. Es gibt sogar eine Cap-Kollektion. Generalstaatsanwalt Uthmeier schreibt dazu stolz auf X: „Ein neuer Abschiebekomplex – one way in and one flight out.“ Das ist nicht nur menschenverachtend. Es ist entsozialisiert, populistisch, spottet jeder Würde. Inhaftierung als Markenware. Abschiebung als Lifestyle. Wer hier noch glaubt, es gehe um Recht und Ordnung, der verkennt, wie sehr sich die amerikanische Einwanderungspolitik unter Trump in einen Showroom für Angst, Ausgrenzung und politische Aggression verwandelt hat. Dagegen wird man vorgehen müssen – juristisch, politisch und gesellschaftlich. Denn wenn aus Unrecht Merch wird, ist Widerstand Pflicht.
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„Wenn aus Unrecht Merch wird“
Die Beschleunigung der Grausamkeiten lässt nur noch einen Schluss zu: es gibt keine vorstellbaren Grenzen mehr.
,was sich dort abspielt, und nicht nur dort, ist erschreckend und grotesk – wir hatten uns extra beeilt 🙂 Danke nochmal und ganz liebe grüsse
Eine Mischung aus SS, Stasi und Hexenjagd.
Wie weit sinkt die USA noch?
Es ist kein Zufall, dass das alles in Florida passiert.
DeSantis ganz auf Trumps Linie. Wintertime seinen Karriereschub, da er nicht noch einmal Gouverneur werden darf.
Aber diese Collection ist die absolute Krönung einer vollkommen menschenverachtenden Politik.
Due Welt? Sie schaut weg.
Genau wie bei Deutschland 1933.
Und wir wissen, wohun das geführt hat