Ein Präsident im Belagerungsmodus – Trumps Medienkrieg, die Wall Street Journal-Affäre und das neue Kapitel Ghislaine Maxwell

VonRainer Hofmann

Juli 22, 2025

Es ist ein beispielloses Zusammenspiel von Macht, Justiz und Medien, das sich derzeit in den Vereinigten Staaten entfaltet. Donald Trump, der 47. Präsident der Vereinigten Staaten, hat am Montag einen Reporter des „Wall Street Journal“ aus dem Journalistenpool für seine bevorstehende Reise nach Schottland verbannt – eine direkte Reaktion auf einen Artikel der Zeitung, der seinen Namen in Verbindung mit einem anzüglichen Geburtstagsalbum für den Sexualstraftäter Jeffrey Epstein brachte. Nur drei Tage zuvor hatte Trump bereits eine 10-Milliarden-Dollar-Klage gegen das Journal und dessen Eigentümer Rupert Murdoch eingereicht. Die Eskalation zeigt: Dieser Präsident kämpft nicht nur mit politischen Gegnern, sondern auch mit der vierten Gewalt – und das auf einem Terrain, das zunehmend an autoritäre Systeme erinnert.

Die beanstandete Publikation des „Wall Street Journal“ bezog sich auf einen Brief aus dem Jahr 2003, in dem Trump in einem Geburtstagsalbum für Epstein angeblich erwähnt wird – ein Artefakt, das im Zuge der jüngsten Veröffentlichungen rund um den Epstein-Komplex öffentlich wurde. Trump weist jegliche Verbindung zu dem Brief oder zum Album zurück. Doch statt sich mit Gegendarstellungen zu begnügen, greift er zum juristischen Großangriff – auch gegen Murdoch, dessen Medienimperium ihn jahrelang stützte. Mit der Verbannung der Journalistin Tarini Parti aus dem Air-Force-One-Tross folgt Trump einem bekannten Muster. Der aktuelle Schritt markiert jedoch einen neuen Höhepunkt: Es ist das erste Mal in der amerikanischen Geschichte, dass ein amtierender Präsident eine Verleumdungsklage in eigener Sache anstrengt – und zwar gegen eine der renommiertesten Zeitungen der Nation. Die Kritik daran ist deutlich. Der renommierte Verfassungsjurist Floyd Abrams nennt das Vorgehen einen „Versuch, missliebige Berichterstattung zu unterdrücken“. Der First Amendment, das amerikanische Grundrecht auf Meinungsfreiheit, sei dafür nicht geschaffen worden. Auch Jameel Jaffer vom Knight First Amendment Institute warnt: Selbst wenn solche Klagen chancenlos seien, könnten sie die Presse einschüchtern – mit verheerenden Folgen für eine demokratische Öffentlichkeit. Während der Konflikt mit dem „Wall Street Journal“ tobt, nimmt hinter den Kulissen ein zweiter Strang an Fahrt auf – mit möglicherweise noch explosiverem Potenzial. Der stellvertretende Justizminister Todd Blanche bestätigte am Dienstag, dass das DOJ in Kürze ein neues Gespräch mit Ghislaine Maxwell führen will – jener Frau, die als zentrale Figur im Epstein-Netzwerk gilt und derzeit eine 20-jährige Haftstrafe verbüßt. Hintergrund ist die wachsende Kritik aus dem Trump-Lager an der angeblich unvollständigen Offenlegung der Epstein-Akten. In einem Post auf X erklärte Blanche: „Wenn Maxwell Informationen über weitere Täter hat, werden FBI und DOJ ihr zuhören.“ Präsident Trump selbst habe das Justizministerium angewiesen, „alle glaubwürdigen Beweise offenzulegen“.

Für uns ist das vor allem eines: ein Spiel auf Zeit. Denn wir verfügen inzwischen über die mit Abstand größte Sammlung an Gerichtsunterlagen und Primärdokumenten im Fall Epstein/Maxwell. In diesen Akten ergibt sich ein Bild, das mit der Erzählung von Maxwell als bloßer „helfender Hand“ kaum vereinbar ist. In mehreren geschwärzten Passagen – etwa in Protokollen mit identifizierten Zeuginnen – wurde ihr Name bewusst entfernt, obwohl diese Zeuginnen sie direkt der Tatbeteiligung beschuldigten. Bereits am 21. Juli 2025 haben wir eine erste Dokumentation mit entsprechenden Belegen unter https://kaizen-blog.org/ein-deal-ohne-worte-bildforensik-und-warum-ghislaine-maxwell-nur-20-jahre-bekam-und-womoeglich-nach-8-bis-10-wieder-frei-ist/ veröffentlicht. Da wir den gesamten Fall weiterhin tiefgreifend recherchieren, werden wir in den kommenden Wochen weitere ungeschwärzte Unterlagen veröffentlichen – mit Sorgfalt, Kontext und Verantwortung. Es geht nicht nur um Transparenz. Es geht um Gerechtigkeit – und darum, dass niemand sich hinter einem neuen Schachzug verstecken kann. Natürlich wird alles seine Zeit dauern, die Recherchen sind sehr aufwendig und kostenintensiv. Wir werden aber die kommenden Tage eine weitere Veröffentlichung vornehmen.

Maxwells Anwalt, David Oscar Markus, bestätigte die Gespräche und dankte dem Präsidenten für dessen Engagement zur Wahrheitsfindung. Es ist ein bemerkenswerter Moment: Ein Präsident, der öffentlich seine Justizministerin – die politisch umstrittene Pam Bondi – beauftragt, mit einer verurteilten Sexualverbrecherin zu kooperieren, um die dunklen Verbindungen in einem Skandal aufzuarbeiten, in den auch sein eigener Name verwickelt ist. Der Vorgang markiert einen Strategiewechsel: von Verweigerung zur Offensive, von Schweigen zur proaktiven Transparenz – allerdings unter der eigenen Regie.

Das Gericht, das über die Freigabe der Grand-Jury-Protokolle entscheidet, zeigte sich bislang zurückhaltend. Die Richter Paul Engelmayer und Richard Berman forderten vom DOJ bis zum 29. Juli eine genaue Begründung für die Offenlegung sowie die Beteiligung der Opfer und Maxwells selbst. Die finale Entscheidung über die Veröffentlichung der Protokolle steht also noch aus – ebenso wie die politische Bewertung dieser neuen Taktik. Denn in der Summe entsteht ein paradoxes Bild: Während Trump einerseits versucht, Medienberichterstattung juristisch zu unterbinden, öffnet er andererseits selbst die Türen zu einem der größten Missbrauchsskandale der jüngeren US-Geschichte. Ob es dabei um Wahrheitsfindung oder politische Kontrolle geht, ist offen – doch die Mischung aus medialem Feldzug, juristischer Eskalation und instrumentalisierter Aufklärung deutet auf eine Strategie hin, bei der Machtbewahrung und Imagepflege Vorrang vor rechtsstaatlicher Transparenz haben. Der Fall Epstein, einst Sinnbild für die systematische Vertuschung sexueller Gewalt in Elitenkreisen, droht damit endgültig zum Spielball der politischen Selbstinszenierung zu werden. Und das „Wall Street Journal“, einst Sprachrohr konservativer Wirtschaftsvernunft, könnte zum letzten Prüfstein für die Unabhängigkeit einer Presse werden, die sich gegen den Sturm eines Präsidenten behaupten muss, der keine Kritik duldet – nicht einmal von seinen alten Verbündeten.

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Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor

Trump hat genug Zeit um alles zu vertuschen bzw es an seine Wahrheit anzupassen.

Da passt es auch gut ins Bild, dass die Abstimmung im Kongess bis nach der Sommerpause vertagt wurde.

Maxwell hat bisher nicht geredet.
Warum sollte sie es jetzt tun?
Der einzige Grund ist ein Deal. Entlassung und Zeugenschutz könnte ich mir vorstellen.

Hoffentlich kann Trump das nicht unter den Tisch kehren.

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