Deutschland am Rande der Stagnation.
Es ist ein leiser Donner, das sich durch die europäischen Märkte zieht – keine Katastrophe, keine Panik, aber eine spürbare Kühle. Es ist der kalte Hauch protektionistischer Politik, der aus Washington über den Atlantik weht. US-Präsident Donald Trump, ein Meister der Eskalation, hat die Zölle erneut als Waffe gezückt, und Europa steht einmal mehr in der Schusslinie.
Die Europäische Kommission hat ihre Wachstumsprognose für die 20 Länder der Eurozone auf 0,9 % für 2025 gesenkt. Noch im November erwartete man ein Wachstum von 1,3 %. Für 2026 wurde die Prognose von 1,6 % auf 1,4 % reduziert. Doch hinter diesen Zahlen verbirgt sich eine Realität, die vielschichtiger und besorgniserregender ist – vor allem für Deutschland, das wirtschaftliche Rückgrat des Kontinents.
Deutschland: Der taumelnde Gigant
Deutschland, die Exportnation, die „Lokomotive Europas“, wie man sie einst nannte, droht zum Waggon zu werden. Das Wirtschaftswachstum ist faktisch zum Stillstand gekommen. Für 2025 wird eine Nullwachstumsrate prognostiziert – eine düstere Marke für eine Volkswirtschaft, die lange auf Exportmärkte wie China und die USA angewiesen war.
Doch die Probleme reichen tiefer. Die deutschen Unternehmen sehen sich nicht nur mit den Auswirkungen von Trumps Zöllen konfrontiert, sondern auch mit steigenden Energiekosten, nachdem russisches Erdgas als Folge des Ukraine-Kriegs versiegt ist. Wo einst der Wettbewerbsvorteil günstiger Energiepreise die Fabriken am Laufen hielt, herrscht nun ein Frost des Zögerns.
Es ist eine Wirtschaft, die unter ihrem eigenen Gewicht erstickt: Fachkräftemangel, Investitionszurückhaltung, eine Infrastruktur, die zunehmend wie ein Relikt vergangener Jahrzehnte wirkt. Und dann ist da noch der globale Wettbewerb. China hat sich längst vom bloßen Produktionsstandort zum mächtigen Herausforderer entwickelt – in der Automobilindustrie, im Maschinenbau, in all den Bereichen, in denen Deutschland einst dominierte.
Trump und die eisige Umarmung des Protektionismus
Mit einem Vorschlag, europäische Importe mit einem Zoll von 20 % zu belegen, hat Trump ein Zeichen gesetzt – eines der Unsicherheit. Zwar ist dieser neue Zollsatz vorerst für 90 Tage ausgesetzt, doch diese Schonfrist wirkt wie ein Damoklesschwert. Die Europäische Kommission spricht von einer „Unsicherheit, wie wir sie seit den dunkelsten Tagen der COVID-19-Pandemie nicht mehr erlebt haben“.
Valdis Dombrovskis, der Wirtschaftskommissar der EU, versucht zu beruhigen. „Die europäische Wirtschaft bleibt widerstandsfähig“, sagt er. Die Arbeitslosigkeit soll auf 5,7 % sinken, ein historisches Tief. Doch was ist Widerstandsfähigkeit wert, wenn der Motor stockt? Wenn Investoren zögern und Unternehmen ihre Expansionspläne auf Eis legen?
Dombrovskis spricht auch von „Abwärtsrisiken“, einem sanften Euphemismus für das, was in Deutschland längst Realität ist: Stagnation. In Brüssel hofft man, dass der Zollsatz von 20 % durch Verhandlungen auf 10 % gesenkt werden könnte. Doch diese Hoffnung gleicht einem Gebet – Maros Sefcovic, der oberste Handelsbeauftragte der EU, hat zwar mehrfach mit der US-Regierung gesprochen, doch wie weit Trump bereit ist nachzugeben, bleibt ungewiss.
Das trügerische Netz der Abhängigkeit
In Wahrheit zeigt die Zolloffensive der USA ein tieferes Problem auf: Europas fatale Abhängigkeit vom globalen Handel. Die Exportstärke, die Deutschland einst zur führenden Wirtschaftsmacht Europas machte, wird nun zur Schwäche. Während Amerika seine Märkte abschottet und China eigene Technologiestandards setzt, bleibt Europa zwischen den Fronten zurück – ein Kontinent, der seine Stärke im Handel sucht, aber immer wieder daran erinnert wird, wie verletzlich dieser ist.
Besonders dramatisch ist die Lage in der deutschen Automobilindustrie. Wo einst die Nachfrage nach deutschen Premiumwagen ein Garant für Wachstum war, sinkt die Wettbewerbsfähigkeit. Die Preise für Batterien steigen, die Konkurrenz durch chinesische Hersteller nimmt zu. Deutschland, das einst für seine Ingenieurskunst bewundert wurde, kämpft plötzlich darum, technologisch Schritt zu halten.
Eine Union im Nebel der Unsicherheit
Und was bleibt Europa? Eine resiliente Arbeitsmarktstatistik und eine politische Führung, die um Worte ringt. Dombrovskis spricht von „Widerstandsfähigkeit“, Sefcovic von „konstruktiven Gesprächen“. Doch für die Unternehmen, die Fabriken und die Millionen Beschäftigten auf dem Kontinent ist dies wenig tröstlich.
Europa steht an einem Scheideweg. Will es sich weiter an die Illusion des freien Handels klammern, während die Welt um es herum protektionistische Zäune errichtet? Oder wird es lernen, sich auf eigene Stärke zu besinnen, sich unabhängiger zu machen, ohne dabei in einen neuen Nationalismus zu verfallen?
Was bleibt, ist eine bittere Lektion: Eine Wirtschaft, die auf Exporten beruht, ist wie ein Haus aus Glas – und Trumps Zölle sind die Steine, die dagegen geworfen werden. Ob Europa sich dagegen wappnen kann, ist eine Frage, die noch lange unbeantwortet bleiben wird.
