Der falsche Mythos – Wie Beyoncé auf ihrer Cowboy-Tour Geschichte verhöhnt

VonTamzee Zadah

Juni 28, 2025

Es war ein Auftritt, der als kulturelle Emanzipation gemeint war – und als historische Verfehlung endete. Als Beyoncé bei einem Juneteenth-Konzert in Paris ein T-Shirt trug, das die Buffalo Soldiers als Helden gegen „die Feinde des Friedens“ stilisierte, löste sie eine Welle der Empörung aus. Auf der Rückseite des Shirts: eine Aufzählung jener, die angeblich die Ordnung bedrohten – darunter „warring Indians“ und „mexikanische Revolutionäre“. Dass damit ausgerechnet jene als Feinde markiert wurden, die gegen Kolonialismus, Vertreibung und ethnische Auslöschung kämpften, wirkte wie ein Schlag ins Gesicht für all jene, die sich eine gerechtere Erzählung von Amerikas Vergangenheit erhoffen. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Indigene Aktivistinnen und Aktivisten, Historikerinnen und Historiker sowie Fans kritisierten das Shirt als Symbol eines revisionistischen Denkens, das anti-indigene Narrative reproduziert – und das ausgerechnet von einer Künstlerin, die sich mit ihrem Album Cowboy Carter als Stimme der marginalisierten Geschichte inszenierte. Beyoncé, die erste schwarze Frau mit einem Nummer-eins-Country-Album, wurde gefeiert für ihre künstlerische Aneignung eines weißen Symbols. Doch jetzt steht sie im Zentrum einer Debatte, die schmerzhafter kaum sein könnte: Kann man die Ikonografie des amerikanischen Westens als schwarze Künstlerin „zurückholen“, ohne dabei selbst zur Komplizin einer imperialen Erzählung zu werden?

Die Buffalo Soldiers, auf die sich das T-Shirt bezieht, waren Einheiten afroamerikanischer Soldaten, die nach dem Bürgerkrieg im Dienst der US-Armee standen. Sie kämpften in zahlreichen Kriegen, unter anderem gegen indigene Völker und mexikanische Revolutionäre – im Auftrag eines Staates, der Land stahl, Kulturen vernichtete und Gewalt als Mittel nationaler Einigung verstand. Historikerinnen wie Alaina E. Roberts erinnern daran, dass es keine progressive Lesart dieses Erbes gibt, wenn die Gewalt ignoriert wird. Das Tragen eines solchen T-Shirts – noch dazu mit einer expliziten Täter-Opfer-Umkehr – ist kein Akt der Erinnerung, sondern eine Reproduktion nationalistischer Mythen. Der Vorwurf wiegt schwer: Statt koloniale Geschichte zu dekonstruieren, stilisiere Beyoncé den westlichen Mythos als Black Empowerment – und lasse dabei die historischen Opfer links liegen. Es sei, so drückt es die TikTokerin Chisom Okorafor aus, ein Signal, dass auch schwarze Menschen sich in die Geschichte des amerikanischen Nationalismus einschreiben können – mitsamt seiner Unterdrückung, seiner Kriege, seiner imperialen Selbstgerechtigkeit. Mit anderen Worten: Wer lange genug in diesem Land ist, darf mitreden – alle anderen bleiben draußen.

Doch in einer Zeit, in der Museen wie das Buffalo Soldiers National Museum selbst beginnen, ihre Narrative zu hinterfragen, wirkt Beyoncé seltsam rückwärtsgewandt. Die Direktorin für Bildung, Michelle Tovar, berichtet davon, wie in Texas derzeit selbst der Unterricht über diese Geschichte unterdrückt wird. Die politische Realität verlangt nach Differenzierung, nicht nach Verklärung. Stattdessen perpetuiert Beyoncé mit einem einzigen Kleidungsstück das, was Generationen von Native Americans und mexikanischen Communities bis heute als offene Wunde empfinden: die Auslöschung ihrer Perspektive aus dem öffentlichen Gedächtnis. Manche ihrer Verteidiger mögen argumentieren, dass Beyoncé nicht wusste, was sie da trug. Doch Ignoranz schützt nicht vor Verantwortung – erst recht nicht, wenn sie mit derartiger Sichtbarkeit einhergeht. Wer Geschichte zitiert, muss sich ihrer Last bewusst sein. Wer Bilder recycelt, die in kolonialer Gewalt wurzeln, kann nicht gleichzeitig beanspruchen, an der Seite der Entrechteten zu stehen. Der Fall zeigt auf schmerzliche Weise, wie dünn der Grat zwischen Repräsentation und Reproduktion ist – und dass auch Ikonen scheitern können, wenn sie ihren Anspruch nicht mit historischem Bewusstsein unterfüttern. Beyoncé hat Geschichte gemacht. Diesmal jedoch in einer Weise, die viele ihrer Fans verstört zurücklässt.

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Ela Gatto
Ela Gatto
4 Monate zuvor

Und viele werden es genau so annehmen. Das ist das traurigste daran

Mello
Mello
4 Monate zuvor
Antwort auf  Ela Gatto

  :wpds_mad: 

2
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