Doha / Teheran / Jerusalem – Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Schatten des neuen Krieges über weitere Länder fielen. In der Nacht zum Montag erschütterten mehrere Explosionen die Golfregion – ausgerechnet Katar, Heimat des strategisch wichtigsten US-Luftwaffenstützpunkts Al Udeid. Kurz zuvor hatte das Land seinen Luftraum gesperrt. Der Grund: massive Drohungen aus Teheran, die Vereinigten Staaten für ihren Angriff auf Irans Nuklearzentren zur Rechenschaft zu ziehen. Augenzeugen berichteten von Raketen am Nachthimmel, während iranische Regierungsstellen zunächst schwiegen. Doch eine kryptische Botschaft auf X (ehemals Twitter) von Präsident Masoud Pezeshkian kurz vor den Detonationen ließ keinen Zweifel an der Zielrichtung: „Wir haben diesen Krieg nicht begonnen, wir wollten ihn nicht. Aber wir werden keine Invasion auf das große Iran unbeantwortet lassen.“ Katar selbst äußerte sich nicht offiziell – doch die Symbolik ist unmissverständlich: Der Golfstaat, diplomatisch eng mit Washington verbunden und zugleich wirtschaftlich abhängig von der Zusammenarbeit mit Teheran, gerät zwischen die Fronten eines Konflikts, der sich in rasender Geschwindigkeit regionalisiert.
Israel trifft das Herz der Islamischen Republik. Schon im Laufe des Tages hatte Israel seine Angriffe auf Iran ausgeweitet – nicht nur militärisch, sondern gezielt gegen die Symbole des Regimes. Raketen schlugen vor den Toren des berüchtigten Evin-Gefängnisses in Teheran ein, einer Anlage, die politische Gefangene, Doppelstaatler und Regimekritiker beherbergt. Auch die Kommandozentrale der Sittenpolizei, jener Truppe, die 2022 die Proteste nach dem Tod von Mahsa Amini brutal niederschlug, wurde getroffen. Obwohl die israelische Regierung betont, sie wolle „nicht das Regime stürzen“, wirkt das Ziel klar: ein moralischer, strategischer und psychologischer Schlag gegen das Rückgrat der Islamischen Republik. Und eine Botschaft an die Bevölkerung, die sich seit Jahren nach Veränderung sehnt. Dass die Vereinigten Staaten nun de facto Teil dieses Krieges sind, geht maßgeblich auf Donald Trump zurück. Mit seinem Befehl zum Einsatz von B-2-Bombern und bunkerbrechenden 13.600-Kilo-Bomben auf drei iranische Nuklearstandorte – Fordo, Natanz und Isfahan – hat der US-Präsident eine rote Linie überschritten, die seine Vorgänger aus guten Gründen gemieden hatten. Am Montagabend legte Trump rhetorisch nach. Auf Truth Social fragte er süffisant: „Wenn das aktuelle iranische Regime nicht in der Lage ist, IRAN WIEDER GROSS ZU MACHEN – warum sollte es dann keinen Regimewechsel geben?“ Ein Satz, ein Fragezeichen – und ein internationales Beben. Das Weiße Haus versuchte zu deeskalieren, Pressesprecherin Karoline Leavitt sprach von einer „rein hypothetischen Überlegung“. Doch in Teheran wertete man die Worte als Kampfansage.
General Abdolrahim Mousavi, ranghöchster Militär Irans, sprach offen von einem „Freibrief“, gegen amerikanische Interessen zurückzuschlagen – jederzeit, überall. Die USA hätten Irans Souveränität verletzt, die Attacken seien ein „Akt der Invasion“, so das staatliche Nachrichtenportal IRNA. Und mit über 40.000 US-Soldaten in der Region – viele davon in Reichweite iranischer Kurzstreckenraketen – ist die Gefahr einer großflächigen Eskalation realer denn je. Auch Israels Militär meldete sich erneut zu Wort: Man werde in den „kommenden Tagen“ weitere Militärstützpunkte in und um Teheran angreifen – mit voller Absicht, nun auch symbolische Ziele ins Visier zu nehmen. Selbst die Zufahrtsstraßen zur Nuklearanlage Fordo wurden zerstört, um die Zugänglichkeit zu unterbinden. Am Montag startete Iran die dritte Phase seiner Offensive mit Raketen und Drohnen gegen Israel – Ziel waren unter anderem Tel Aviv und Haifa. In Jerusalem waren Explosionen zu hören, offenbar durch Abwehrsysteme abgefangen. Der israelische Rettungsdienst Magen David Adom meldete keine Verletzten. Doch die Bilanz des Krieges ist bereits verheerend: Mindestens 950 Tote in Iran, über 3.400 Verletzte, laut der Menschenrechtsgruppe HRANA; in Israel mehr als 1.000 Verletzte und 24 Tote. Das Abdorrahman Boroumand Center zeigte sich alarmiert über das Schicksal der Häftlinge in Evin. Nach dem Einschlag veröffentlichte das staatliche Fernsehen zwar Bilder, die „geordnete Zustände“ zeigen sollten – doch Menschenrechtsaktivisten sprechen von Stromausfällen, Angst und Isolation hinter den Mauern des Regime-Gefängnisses.

In Wien sprach IAEA-Chef Rafael Grossi von möglichen schweren Schäden an den Nuklearanlagen. Zwar habe Iran behauptet, bereits vor dem Angriff Uran und Materialien aus Fordo abtransportiert zu haben – doch der Verbleib sei unklar. Eine formale Meldung an die Atomaufsicht blieb bisher aus. Russlands Präsident Putin nannte die Angriffe auf Iran „eine unprovozierte Aggression“ und ließ in Moskau mit Irans Außenminister Abbas Araghchi beraten, wie man die „Situation entschärfen“ könne. Dass genau das derzeit kaum möglich scheint, liegt nicht nur an militärischer Dynamik – sondern auch am politischen Willen, der in Washington und Teheran fehlt. Dieser Konflikt ist nicht länger nur ein Krieg zwischen Israel und Iran. Er ist ein Magnet für neue Brandherde – von Gaza bis Katar, von Al Udeid bis Evin. Ein Krieg, in dem Drohungen, Luftschläge und digitale Bekenntnisse längst miteinander verschmolzen sind. Ein Krieg, den keiner will – und doch keiner stoppen kann. Der Satz, der über allem schwebt, stammt nicht aus einem diplomatischen Dossier, sondern von Donald Trump persönlich: „Why wouldn’t there be a Regime change???“ Drei Fragezeichen, die inzwischen tausende Kilometer weit hallen – und eine Welt wachhalten, die längst vergessen wollte, wie zerbrechlich Frieden sein kann.