Ein weiteres Kapitel in der langen Geschichte juristischer Auseinandersetzungen um Donald Trump endet mit einem deutlichen Nein – diesmal aus den Reihen des zweitmächtigsten US-Gerichts. Mit einer Mehrheit von 8 zu 2 hat das Berufungsgericht des 2. US-Bezirks am Freitag Trumps Antrag abgelehnt, das Urteil im Fall E. Jean Carroll neu aufzurollen. Damit bleibt ihm nur noch der Gang vor den Supreme Court – und der dürfte alles andere als aussichtsreich sein.
Im Zentrum der Entscheidung steht ein Schuldspruch, den eine Jury im Jahr 2023 gefällt hatte: Trump wurde für schuldig befunden, die Journalistin E. Jean Carroll Mitte der 1990er Jahre in einer Umkleidekabine eines New Yorker Kaufhauses sexuell missbraucht und sie später öffentlich diffamiert zu haben. Die Summe: 5 Millionen Dollar Schadenersatz. Ein zweites Verfahren wegen wiederholter Verleumdung endete im Januar 2024 mit weiteren 83,3 Millionen Dollar. Carroll selbst erklärte, sie habe über zwei Jahrzehnte geschwiegen, weil sie dachte, niemand würde ihr glauben. Erst als sie Trumps „Access Hollywood“-Bekenntnis hörte, habe sie entschieden, ihre Geschichte öffentlich zu machen.
Trump jedoch kämpft nicht nur gegen das Urteil, sondern auch gegen die Wirklichkeit. Seine Verteidigung argumentierte, das Verfahren sei durch angeblich unzulässige Beweise verzerrt worden – etwa durch die berüchtigte Tonaufnahme, in der Trump damit prahlt, Frauen ungefragt zu begrapschen. Auch hätten andere Zeugenaussagen von Frauen, die ihm Übergriffe vorwarfen, das Verfahren voreingenommen gemacht. Ein zentraler Punkt seiner Verteidigung: Die Geschädigte habe finanzielle Hilfe von einem Trump-kritischen Spender – dem LinkedIn-Mitbegründer Reid Hoffman – erhalten. Ein Umstand, der nach Ansicht von Trumps Anwälten die Glaubwürdigkeit der Klägerin untergraben sollte. Das Gericht ließ diesen Punkt jedoch nicht zu – zu Recht, wie nun auch das Berufungsgericht feststellte.
Richterin Myrna Pérez, ernannt unter Joe Biden, ließ in ihrer Begründung keinen Zweifel: Die erneute Verhandlung eines abgeschlossenen Falls ist kein angemessener Gebrauch des Instruments der en-banc-Überprüfung. Nur bei außergewöhnlichen rechtlichen Fragen oder bei einem klaren Widerspruch zu bestehenden Präzedenzfällen sei ein solcher Schritt gerechtfertigt. Beides treffe hier nicht zu. Zwei von Trump ernannte Richter – Steven Menashi und Michael Park – sahen das anders. In ihrer abweichenden Meinung sprachen sie von einer Reihe unvertretbarer Beweisentscheidungen und behaupteten, das Urteil basiere auf unzutreffender Charakterbeweisführung und wenigen verlässlichen Fakten. Doch sie blieben in der Minderheit. Drei Richter enthielten sich ohne Angabe von Gründen. Das Signal aus der Justiz ist damit klar: Trumps Argumentation hält vor Gericht nicht stand.
Dabei hätte Trump nach US-Prozessrecht die Möglichkeit gehabt, während des Prozesses unter Eid auszusagen – entschied sich jedoch, dies nicht zu tun. Stattdessen verließ er den Gerichtssaal demonstrativ noch während der Aussagen Carrolls. Die Jury interpretierte sein Verhalten, so ein Geschworener später in der Presse, als Ausdruck von Schuld und mangelndem Respekt gegenüber dem Gericht. Carrolls Anwältin Robbie Kaplan kommentierte die Entscheidung nun gemeinsam mit ihrer Mandantin mit den Worten: Obwohl Präsident Trump weiterhin jedes mögliche Manöver versucht, um die Feststellungen von zwei getrennten Jurys anzufechten, sind diese Bemühungen gescheitert. Er bleibt verantwortlich für sexuelle Gewalt und Verleumdung.
In einer Stellungnahme sprach ein Sprecher von Trumps Anwaltsteam derweil von einer Demokraten-finanzierten Carroll-Lüge und bezeichnete die Entscheidung des Gerichts als Teil der politischen Instrumentalisierung unseres Justizsystems. Präsident Trump werde weiterhin gegen den liberalen Lawfare gewinnen, hieß es, und sich auf seine Mission konzentrieren, Amerika wieder groß zu machen. Doch das Narrativ bröckelt. Zwei Geschworenenurteile in zwei verschiedenen Verfahren haben unabhängig voneinander Trumps Verhalten verurteilt. Die Justiz erweist sich damit – trotz aller Angriffe auf ihre Integrität – als bemerkenswert standhaft.
Am 24. Juni wird der nächste Akt in dieser juristischen Auseinandersetzung folgen – dann wird das Berufungsgericht erneut über Trumps Einsprüche im zweiten Carroll-Verfahren verhandeln. Ob das Justizministerium Trump im Nachhinein als Angeklagten ersetzen darf, ist dabei eine Schlüsselfrage. Sollte das gelingen, könnte Trump sich finanziell aus der Affäre ziehen – moralisch aber nicht. Der ehemalige Bundesrichter John E. Jones formulierte es gegenüber NBC klar: Niemand steht über dem Gesetz – auch ein Präsident nicht. Und mit jedem Urteil wird dieser Satz ein Stück glaubwürdiger.
Denn jenseits aller juristischen Winkelzüge bleibt eine Tatsache bestehen: Zwei Geschworenenjurys haben das Verhalten eines ehemaligen und aktuellen Präsidenten der Vereinigten Staaten als sexuelle Gewalt und Lüge gewertet. Und keine noch so laute Kampagnenrhetorik wird daran etwas ändern können.