Es war ein Satz, der im Lärm der Nachrichten beinahe unterging – und doch ein weltpolitisches Erdbeben ankündigt. „Putin hat mir sehr deutlich gesagt, dass Russland auf den ukrainischen Angriff auf seine Luftwaffenstützpunkte reagieren wird.“ Mit diesen Worten meldete sich US-Präsident Donald Trump am Mittwoch auf seinem eigenen sozialen Netzwerk zu Wort – lakonisch, kalt, fast beiläufig. Die Botschaft aber ist alles andere als beiläufig: Der russische Präsident hat seinem amerikanischen Pendant am Telefon klargemacht, dass die Grenze zur Eskalation aus seiner Sicht längst überschritten ist.
Trump selbst nannte das Gespräch „gut, aber nicht eines, das zu sofortigem Frieden führen wird“. Es ist der erste direkte Kommentar des Präsidenten zu den spektakulären ukrainischen Drohnenangriffen auf russische Luftwaffenbasen, bei denen Kiew laut eigenen Angaben 41 Flugzeuge getroffen oder zerstört hat – darunter strategische Bomber, Aufklärungsflugzeuge, Transportmaschinen. Mit Künstlicher Intelligenz gesteuerte Langstreckendrohnen sollen den Angriff möglich gemacht haben. In Moskau herrscht seither eisiges Schweigen – unterbrochen nur von Wut und Racheversprechen. Dass Donald Trump ausgerechnet mit Putin telefonierte, aber nicht mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, sagt viel über die Schieflage der amerikanischen Außenpolitik unter seiner zweiten Amtszeit. Der Präsident, der einst versprach, den Krieg noch vor seiner Vereidigung zu beenden, hat sich in ein zähes, widersprüchliches Schweigen verstrickt. Einerseits fleht er Putin öffentlich an, „endlich aufzuhören“ – andererseits vermeidet er jede klare Sanktionierung. Der Kreml indes nutzt die Lücke. Während Selenskyj in Kiew vor Journalisten von einer „Showdiplomatie“ spricht und den russischen Waffenstillstandsvorschlag als „Ultimatum in Spamform“ bezeichnet, baut Moskau weiter seine Truppen an der Grenze aus. Neun Dörfer in der ukrainischen Region Sumy sollen bereits gefallen sein.
Putin, der ein direktes Treffen mit Selenskyj erneut ablehnte, beschuldigte die Ukraine am Mittwoch in einer Videoschalte, „Terrorakte“ auf russischen Bahnlinien verübt zu haben. „Wie soll man unter solchen Bedingungen ein Gipfeltreffen abhalten? Worüber sollten wir reden?“, fragte er – rhetorisch, selbstgewiss, abweisend. Für ihn ist der Waffenstillstand nur ein Mittel zur Verzögerung, eine Strategie der Erschöpfung. Für Selenskyj hingegen wäre er eine Vorbedingung für ernsthafte Gespräche – am liebsten vermittelt durch die USA, mit einem möglichen Dreiertreffen in Istanbul, im Vatikan oder in der Schweiz.
Doch die USA, so scheint es, ziehen sich zurück. Verteidigungsminister Pete Hegseth blieb der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel fern – zum ersten Mal seit der Gründung des Gremiums vor drei Jahren. Es ist ein symbolischer Akt, der nicht unbemerkt bleibt. In einem am Dienstag veröffentlichten Bericht des renommierten Center for Strategic and International Studies heißt es: „Ohne ernsthaften Druck wird Putin den Frieden weiter hinauszögern, weiterkämpfen – und auf das amerikanische Wegsehen warten.“
In der Ukraine wächst der Frust. Die Gespräche in Istanbul verliefen erneut ergebnislos. „Eine politische Inszenierung“, nennt Selenskyj das Treffen. „Dasselbe Papier wie beim letzten Mal – nur kopiert, neu gedruckt, ohne Inhalt.“ Russland sei nicht an einem Ende des Krieges interessiert, sondern an der Inszenierung von Dialog – zur Beruhigung der Welt, nicht zur Beendigung des Mordens.
Derweil tobt der Krieg weiter – entlang der 1.000 Kilometer langen Frontlinie, im Donbass, bei Charkiw, in der Luft und unter Wasser. Die ukrainische Sicherheitsbehörde meldet, sie habe Sprengstoff unter der Krim-Brücke zur Detonation gebracht. Das russische Verteidigungsministerium dementiert. Wahrheit ist längst nicht mehr messbar, sie ist eine Frage der Perspektive, der Propaganda, der Zeitverzögerung.
Und Trump? Er bleibt wie so oft zwischen den Welten. Zwischen rhetorischer Distanz und faktischer Nähe zu Moskau. Zwischen versprochener Beendigung des Krieges und realer Tatenlosigkeit. Zwischen einem Telefonat mit dem Aggressor und Funkstille gegenüber dem Angegriffenen. Seine Aussage, dass Putin ihm eine Reaktion angekündigt habe, bleibt im Raum – ohne Einordnung, ohne Positionierung, ohne diplomatisches Gegengewicht. Es ist eine gefährliche Leerstelle. Denn wenn der Präsident der Vereinigten Staaten nur noch Zuhörer ist in einem Krieg, dessen Waffen auch aus amerikanischen Fabriken stammen, dann verliert der Westen nicht nur Einfluss – sondern auch Moral.
Die Welt sieht in diesen Tagen auf drei Orte: auf die rauchenden Trümmer russischer Flugplätze, auf den gescheiterten Konferenztisch in Istanbul – und auf das Oval Office, das einmal das Zentrum der westlichen Friedensverantwortung war. Heute steht dort ein Mann, der von Frieden spricht, aber Diktatoren zuhört. Der vom Ende des Krieges träumt, aber kein Wort über Gerechtigkeit verliert. Und der in seinem Schweigen jenes Vakuum entstehen lässt, das der Krieg braucht, um weiterzuwuchern.
Die Geschichte wird sich an solche Momente erinnern – nicht wegen ihrer Lautstärke, sondern wegen ihrer Abwesenheit. In einer Welt, die um jedes Wort kämpft, sind jene, die schweigen, die gefährlichsten Akteure.
