Der Kreuzzug gegen die Wahrheit – Wie Trump und MAGA mit dem Krieg gegen die Wissenschaft Amerikas Zukunft zerfrisst

VonRainer Hofmann

Juni 2, 2025

„Doch die Wahrheit ist gefährlich, und Wissenschaft ist eine öffentliche Bedrohung. Wir müssen sie angekettet und geknebelt halten.“ – So spricht Mustapha Mond in Aldous Huxleys Schöne neue Welt, ein literarischer Diktator, der das Wissen fesselt, um die Macht zu sichern. Was einst als Dystopie gedacht war, hat heute ein Echo in der Realität gefunden – in der Gegenwart einer Regierung, die den Kampf gegen Wissenschaft zur Leitlinie ihrer Machtentfaltung macht.

Denn was sich derzeit unter Donald Trump vollzieht, ist kein Sparprogramm, keine ideologisch motivierte Haushaltsdebatte – es ist ein regelrechter Vernichtungsschlag gegen die Grundlagen wissenschaftlichen Denkens in den Vereinigten Staaten. Der Haushaltsentwurf für das Jahr 2026 sieht Kürzungen von fast 40 Prozent beim National Institutes of Health vor, 56 Prozent beim National Science Foundation, massive Einschnitte bei der NASA, dem CDC, dem NOAA, dem Landwirtschaftsministerium, der Energiebehörde, dem US Geological Survey, der Umweltbehörde EPA – und praktisch jeder öffentlichen Einrichtung, die sich Forschung, Datenanalyse oder wissenschaftsgeleitete Politik zum Ziel gesetzt hat.

Wollte ein feindlicher Staat Amerikas Innovationskraft und globale Führungsrolle sabotieren, er hätte kaum anders gehandelt.Warum aber erklärt eine Regierung, die sich selbst als patriotisch, unternehmensfreundlich und wahrheitssuchend begreift, ausgerechnet der Wissenschaft den Krieg? Die Antwort ist komplex – und beunruhigend. Es gibt keinen Masterplan, keine kohärente Strategie. Stattdessen wirken drei Strömungen ineinander: religiöser Anti-Rationalismus, autoritärer Anti-Intellektualismus und ein technokratischer Zynismus, der Wissen nur dann gelten lässt, wenn es profitabel ist. Da ist zum einen die evangelikale Rechte, für die Wissenschaft seit jeher als Bedrohung des Glaubens gilt. Bewegungen wie die „Cornwall Alliance for the Stewardship of Creation“ verdammen Umweltforschung als grüne Irrlehre, als einen Ersatzglauben, der den biblischen Schöpfungsauftrag verrate. Ihr Gründer, E. Calvin Beisner, fordert Gesetze nach den Maßgaben des Alten Testaments – inklusive Prügelstrafe für Kinder und Verbot sogenannter abweichender Lebensstile. Was diese Bewegung eint, ist der Wille zur Weltdeutung jenseits von Empirie – Wissenschaft gilt hier nicht als Werkzeug zur Erkenntnis, sondern als säkulares Machtmittel zur Unterwerfung.

Auf der anderen Seite stehen die Neuen Rechten, gespeist aus Think-Tanks wie dem Claremont Institute. Für sie ist Wissenschaft Teil eines globalen woken Verwaltungsapparats, eines NGO-Komplexes, wie Michael Anton, Trumps Planungschef, es nennt – eine Art weltumspannendes Kartell, das mit Fakten und Fachwissen die Herrschaft des Volkes blockiere. Was sie sich wünschen, ist ein Red Caesar: ein starker Mann, der regiert, ohne durch Argumente oder Erkenntnis aufgehalten zu werden. Wissenschaft ist in diesem Weltbild kein Korrektiv, sondern eine zu zerstörende Bastion der liberalen Moderne. Und schließlich gibt es da die libertären Tech-Milliardäre, die sich mit dem autoritären Populismus verbündet haben – nicht aus Überzeugung, sondern aus Opportunismus. Für sie ist die Wissenschaft nichts weiter als ein weiteres Feld privater Aneignung. Ihre Logik: Wenn Künstliche Intelligenz den Markt steuert, braucht es keine öffentliche Forschung mehr. Die Wahrheit, so suggerieren sie, liegt in der Rendite. Dass dabei Grundlagenforschung, Impfstoffentwicklung, Klimamodelle und Krebsforschung auf der Strecke bleiben, wird in Kauf genommen. Denn Profit ersetzt Methode, und wer zahlt, bestimmt, was wahr ist.

Diese gefährliche Mischung – religiöser Dogmatismus, antidemokratische Ideologie und techno-kapitalistische Arroganz – hat nun das amerikanische Universitätssystem im Visier. Die konservative Basis betrachtet Hochschulen seit Jahren als linke Bastionen, als Orte, an denen konservative Stimmen unterdrückt würden. Die Trump-Regierung versucht, dort anzusetzen, wo sie verletzlich sind: bei der Finanzierung. Denn ein Großteil der Forschung – insbesondere in der Medizin – wird aus Bundesmitteln gespeist. Und genau diese Gelder sollen nun gekappt werden. Anders gesagt: Diese Regierung ist bereit, den Fortschritt in der Krebsmedizin zu opfern, um eine politische Lektion zu erteilen. Sie lässt zu, dass Talente ins Ausland fliehen, dass Labore geschlossen, Karrieren zerstört und Erkenntnisse verzögert werden – alles im Namen eines Kampfes gegen eine angeblich woke Elite.

Ein weiteres Ziel ist der sogenannte Verwaltungsstaat – ein Begriff, der sich schwer greifen lässt, aber im rechten Diskurs alles umfasst, was an Staatlichkeit nicht sichtbar, aber notwendig ist: Luftsicherheit, Lebensmittelschutz, Energieaufsicht. Was sich schwer kürzen lässt – wie Militär oder Infrastruktur – bleibt. Was erst in der Zukunft wirkt – wie Klimaforschung, Grundlagenbiologie oder Seuchenschutz – wird gestrichen. Die langfristige Stabilität der Demokratie wird dem kurzfristigen Triumph des Autoritarismus geopfert. Was wir heute sehen, sind nur die unmittelbaren Folgen: gestrichene Programme, entlassene Forschende, zerstörte Institutionen. Die langfristigen Konsequenzen jedoch – die Verlangsamung medizinischer Durchbrüche, die mangelnde Vorbereitung auf Umweltkatastrophen, das Abdriften der USA aus der wissenschaftlichen Weltspitze – werden sich erst in zehn oder zwanzig Jahren zeigen. Und dann wird es vielleicht zu spät sein. Das Parlament könnte handeln – wird es aber nicht, solange Trump und seine Bewegung die Republikaner in Geiselhaft halten. Die Gerichte können bremsen – aber sie werden den Kurs nicht allein ändern. Private Stiftungen können Lücken füllen – doch sie ersetzen keinen strukturellen Wandel. Was es jetzt braucht, ist eine gesellschaftliche Gegenbewegung. Forschende müssen öffentlich erklären, wofür sie stehen. Historiker müssen aufzeigen, welche Kraft die amerikanische Universität und die öffentlich geförderte Forschung für die Menschheit entfaltet haben. Die Zivilgesellschaft muss aufstehen – nicht nur für die Wissenschaft, sondern für eine Zukunft, die auf Wahrheit beruht. Denn was heute als ideologischer Angriff erscheint, wird morgen vielleicht das Leben kosten, das wir hätten retten können.

Abonnieren
Benachrichtigen bei
guest
0 Comments
Älteste
Neueste Meistbewertet
Inline-Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
0
Deine Meinung würde uns sehr interessieren. Bitte kommentiere.x