Es ist ein Versprechen, das größer kaum sein könnte – und gefährlicher zugleich: Präsident Donald Trump will Amerikas Schuldenproblem lösen. Mit milliardenschweren Steuersenkungen, wachstumsgetriebenem Optimismus und einer aggressiven Zollpolitik. Doch was klingt wie eine ökonomische Offenbarung, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als riskantes Spiel mit der fiskalischen Substanz der Vereinigten Staaten.
Denn nicht nur Demokraten, sondern auch republikanische Senatoren, Investoren – und selbst Elon Musk – äußern Zweifel. Die Märkte zeigen sich nervös, die Prognosen fragil, die politische Rückendeckung brüchig. Und so steht ein Land, das sich selbst für das wirtschaftliche Epizentrum der Welt hält, vor der Frage: Ist das der Weg in die Prosperität – oder der Beginn eines kontrollierten Kontrollverlusts?
Von der Kunst, Schulden schönzureden
Was Trump in seinen Reden als „One, Big, Beautiful Bill“ preist, ist in Wahrheit ein steuerpolitischer Kraftakt mit ungewissem Ausgang. Die Maßnahmen, kürzlich vom Repräsentantenhaus beschlossen, könnten laut dem überparteilichen Committee for a Responsible Federal Budget das Staatsdefizit in den kommenden zehn Jahren um über 5 Billionen Dollar erhöhen – falls sie nicht wie geplant auslaufen. Doch Auslaufen ist in Washington meist nur ein Synonym für „verlängern, sobald keiner mehr hinschaut“.
Die Gesamtverschuldung hat längst astronomische Höhen erreicht – über 36 Billionen Dollar –, während die Zinsen auf US-Staatsanleihen auf 4,5 % gestiegen sind. Zum Vergleich: Als Trumps erste Steuerreform 2017 in Kraft trat, lag der Satz bei rund 2,5 %. Das bedeutet: Jeder zusätzliche Dollar Schulden wird nun mit fast doppeltem Gewicht in die Zukunft geschleppt.
Trotzdem hält das Weiße Haus unbeirrt am Kurs fest – und attackiert jede Form der Kritik. Regierungssprecherin Karoline Leavitt verwarf jüngst die Einschätzungen des renommierten Congressional Budget Office (CBO) als „schlampig“ und parteiisch. Doch was bleibt, wenn der Kompass als fehlerhaft erklärt wird? Navigiert wird dann nur noch nach Gefühl – oder Ideologie.
Dass selbst Elon Musk sich inzwischen vom Projekt distanziert, ist ein Warnsignal. Der Tech-Titan, der als Leiter der Regierungsbehörde Department of Government Efficiency einst Trumps Effizienzversprechen verkörperte, zeigt sich ernüchtert: Das Gesetz erhöhe das Defizit und torpediere die Arbeit seiner Behörde. Es ist ein Bruch mit Symbolkraft – nicht nur finanziell, sondern auch moralisch.
Denn während das Weiße Haus ein Wachstum von 3,2 % pro Jahr verspricht (statt der vom CBO prognostizierten 1,9 %), bleiben Ökonomen wie Kent Smetters (Penn Wharton Budget Model) skeptisch. Harvard-Professor Jason Furman spricht gar von „reiner Fiktion“. Und Ernie Tedeschi von der Yale University rechnet vor: Selbst bei optimistischen Annahmen bräuchte die USA rund 10 Billionen Dollar an Defizitabbau, nur um den Status quo zu stabilisieren – Wachstum allein reiche dafür bei Weitem nicht aus.
Kein Raum für Ehrlichkeit – nur für Show
In dieser Gemengelage wirkt Trumps Weigerung, substantielle Ausgabenkürzungen durchzusetzen, wie ein gefährlicher Akt politischer Bequemlichkeit. „Wir brauchen viele Stimmen“, sagte er. „Da können wir nicht einfach kürzen.“ Es ist ein Satz, der mehr über das Funktionieren des politischen Apparats aussagt als jede Fußnote im Bundeshaushalt. Was zählt, ist nicht fiskalische Nachhaltigkeit – sondern Stimmenmaximierung im permanenten Wahlkampf.
Und so soll am Ende der Glaube retten, was die Mathematik längst verneint: Der Glaube an das selbsttragende Wachstum, an magische Zolleinnahmen, an eine Wirtschaft, die sich dem politischen Willen unterordnet wie ein Diener dem Herrscher. Trump selbst verkündete im April, dass seine Importzölle genug Geld brächten, um „die Schulden zu tilgen“ – und das „sehr schnell“. Finanzminister Scott Bessent sekundierte mit dem Versprechen, das Defizit binnen eines Jahres mehr als halbieren zu können.
Doch Gerichte haben Zweifel an der Rechtsgrundlage dieser Zölle angemeldet. Und Ökonomen wie Douglas Elmendorf, Glenn Hubbard und Zachary Liscow warnen: Selbst bei steigenden Einnahmen und Wachstum ist Trumps Rechnung zu optimistisch – weil sie strukturelle Realitäten ausblendet.
Widerstand im eigenen Lager
Im US-Senat regt sich derweil Widerstand – ausgerechnet aus den eigenen Reihen. Ron Johnson (Wisconsin) und Rand Paul (Kentucky) wollen das Gesetz stoppen, bis konkrete Ausgabenkürzungen auf dem Tisch liegen. Es ist ein seltener Moment parteiinterner Auflehnung – und vielleicht der Beginn einer neuen Dynamik. Denn je weiter sich das Haushaltsloch öffnet, desto deutlicher wird: Trumps Steuerversprechen fußen nicht auf fiskalischer Vernunft, sondern auf politischer Wunschmusik.
Donald Trump hat ein wachstumsgetriebenes Schuldenmodell geschaffen, das weniger an ökonomische Rationalität erinnert als an ein System von Hoffnung und Behauptung. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache – eine Sprache der Warnung, der Überschuldung, der politischen Unredlichkeit.
Und so bleibt die entscheidende Frage bestehen: Kann man ein Land aus der Schuldenkrise führen, wenn man sich weigert, den Preis der Wahrheit zu zahlen? Trumps Antwort darauf lautet: mit Optimismus, Zöllen und einem Versprechen. Die Antwort der Ökonomie lautet: Es wird nicht reichen.