Karoline Leavitt steht seit Monaten im Zentrum der politischen Bühne, doch nun hat ein Vorgang außerhalb ihrer Kontrolle eine direkte Verbindung zu ihrem eigenen Umfeld geschaffen. Die Mutter ihres elfjährigen Neffen, Bruna Ferreira, wurde in Revere im Bundesstaat Massachusetts von ICE-Beamten festgenommen. Ein Zugriff, wie er unter der Trump-Regierung und Heimatschutzministerin Kristi Noem inzwischen zum Alltag gehört – aber selten reicht er so tief in das Umfeld einer Sprecherin des Weißen Hauses hinein.

Ferreira sitzt im South Louisiana ICE Processing Center, tausende Kilometer von ihrem Sohn entfernt, während die Behörden prüfen, ob sie nach Brasilien abgeschoben wird. Laut dem Heimatschutzministerium soll sie einst mit einem Touristenvisum eingereist sein, das 1999 ausgelaufen ist. Außerdem führt die Behörde eine alte Festnahme wegen des Verdachts auf Körperverletzung an, ohne auf den Verlauf oder Ausgang des Verfahrens einzugehen. Familienangehörige zeichnen hingegen ein anderes Bild: In einer Spendenkampagne heißt es, Ferreira sei bereits 1998 als Kind in die Vereinigten Staaten gebracht worden und habe später den Schutzstatus des DACA-Programms erhalten. Sie habe sich ein ruhiges Leben aufgebaut, gearbeitet, Steuern gezahlt und versucht, ihrem Sohn eine stabile Grundlage zu geben.

Der Junge, Michael Leavitt Junior, lebt seit seiner Geburt beim Vater in New Hampshire und hatte seit längerer Zeit keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter. Zwischen ihm und Ferreira gab es kein gemeinsames Zuhause.– ein Punkt, den die Angehörigen betonen, um klarzustellen, dass der Fall keinerlei direkten Bezug zur Pressesprecherin selbst habe und daher helfende Unterstützung verweigert wird. Doch so ist die Geschichte nicht. Leavitt und Ferreira lebten zusammen bis es zur Trennung kam, einen Punkt, den man ganz bewusst jetzt abstreitet. Bruna Ferreira war früher mit Michael Leavitt, dem Bruder der Pressesprecherin, verlobt. Der Sohn hatte Kontakt zu seiner Mutter und verbrachte einen Großteil der Ferien auch bei ihr. Das galt ebenso für eine Wochenendregelung, da die Entfernung zwischen Bruna Ferreira und Michael Leavitt nur rund 90 Autominuten beträgt. Seit einigen Monaten jedoch wird das blockiert. Und doch bleibt der politische Schatten: Eine Sprecherin des Weißen Hauses, die täglich die harte Linie der Regierung verteidigt, sieht nun, wie dieselben Maßnahmen einen Menschen treffen, der einst ein Teil ihrer Familie war und bleiben wird. Michael Leavitt Junior.

Dass Ferreira jetzt in einem Zentrum in Louisiana sitzt, weit entfernt vom Ort ihrer Festnahme, hat die Familie hart getroffen. Ihre Schwester, Graziela Dos Santos Rodrigues, versucht mit aller Kraft, die drohende Abschiebung zu verhindern. Sie hat eine Spendenkampagne gestartet, um juristischen Beistand zu finanzieren und eine Rückkehr nach Boston zu ermöglichen. Über 14.000 Dollar sind bereits zusammengekommen, das Ziel liegt bei 30.000. Der Fall ist besonders brisant und könnte zu einem zweiten Kilmar Garcia werden.

27. April 2025 im Oval Office – Die Familie Michael Leavitt, dabei auch Michael Leavitt Junior und seine heutige Ehefrau, Kara Leavitt, die er im Juni 2022 heiratete.
Auffällig ist auch, was in diesem Fall fehlt: die Akten. Weder im zuständigen Gerichtsregister noch in öffentlich zugänglichen Datenbanken findet sich bislang eine belastbare Spur zu dem von der Behörde erwähnten Gewalt-Vorwurf. Das kommt uns sehr bekannt vor. Die Regierung stellt Ferreira als „kriminelle illegale Einwanderin“ dar, liefert aber bisher keine nachvollziehbare Dokumentation, auf deren Grundlage sich diese Einstufung prüfen ließe. Einen Anwalt konnte man inzwischen organisieren, doch alles deutet schon jetzt auf einen harten, langen Kampf hin. Nach unserem aktuellen Stand wird der Fall vor Richterin Sherron Ashworth landen – einer der strengsten Richterinnen im gesamten Einwanderungssystem, bekannt für eine der höchsten Ablehnungsraten in den Vereinigten Staaten.

Während das Weiße Haus keine Stellungnahme abgibt und die Pressesprecherin selbst schweigt, zeigt der Fall, wie willkürlich und unberechenbar die aktuelle Abschiebepolitik sein kann. Offene Fragen stehen im Raum: Warum wurde eine Frau, die seit Jahrzehnten im Land lebt, plötzlich „abrupt“ festgenommen? Weshalb wird ihr DACA-Status infrage gestellt? Und was bedeutet es für Tausende in ähnlicher Lage, wenn selbst jene, die unter den Augen der Öffentlichkeit stehen, keine Klarheit über ihre Rechte haben?

Der Fall Bruna Ferreira zeigt deshalb schonungslos, was viele Menschen in den vergangenen Monaten unter den Zugriffen von ICE erlebt haben – darunter auch Personen, die jahrelang Schutzstatus hatten. Der Verweis des Ministeriums, dass jeder, der sich ohne gültigen Aufenthalt im Land befindet, abgeschoben werden könne, macht deutlich, wie umfassend die Regierung ihre Linie definiert. Für Ferreiras Familie bleibt jetzt nur die Hoffnung, dass juristische Schritte und öffentlicher Druck verhindern, dass eine Frau, die fast ihr ganzes Leben in den USA verbracht hat, in ein Land zurückgeschickt wird, das sie seit Kindertagen nicht mehr kennt. Eine zweite Anhörung konnte erreicht werden und wir arbeiten nun in diesem Fall. Und für Karoline Leavitt entsteht ein Dilemma, das sie mit keinem Statement auflösen kann, oder mehr, will: Die Politik, die sie täglich verteidigt und mitfördert, trifft jetzt jemanden, der ihrem privaten Umfeld näher steht, als es ihr lieb sein dürfte.
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