In Mali steht eine Militärregierung vor dem Zusammenbruch, die sich jahrelang auf russische Söldner, russische Waffen und russische Rückendeckung verlassen hat. Ausgerechnet dort, wo der Kreml glaubte, seinen Einfluss auf dem Kontinent für Jahrzehnte festschreiben zu können, verliert Moskau nun die Kontrolle, während Al-Qaida die Hauptstadt Bamako von der Außenwelt abschneidet und den Staat mit einem System aus Blockaden, Überfällen und Erpressung zermürbt. Der Aufstand folgt keiner klassischen Frontlinie. Er folgt den Tanklastern. Jede gestoppte Lieferung ist ein Schlag gegen eine Junta, die seit Monaten kein Mittel mehr findet, um das Land zusammenzuhalten.
Malis Machthaber Assimi Goïta verdankt sein Amt zwei Putschen – einem, der ihn zum Vizepräsidenten machte, und einem zweiten, bei dem er seinen damaligen Chef absetzte und sich selbst zum Präsidenten erklärte. Russland störte sich nie an dieser Herkunft. Im Gegenteil: Ein Mann ohne Mandat, isoliert von Europa und verstrickt in Machtkämpfe, war ein idealer Partner. Moskau bot Soldaten, Geld und politischen Schutz, im Gegenzug sollte Mali seine Ressourcen öffnen – Gold, Uran, Lithium. Die Wagner-Söldner, später in den sogenannten Afrikanischen Korps des russischen Verteidigungsministeriums überführt, operierten wie eine Mischung aus Privatarmee und Rohstoffunternehmen. Doch auch diese Allianz bröckelte. Goïta trieb hohe Summen an Moskau ab, hielt aber gleichzeitig Bergbaukonzessionen zurück, um sich selbst Einnahmen zu sichern. Das Verhältnis kühlte spürbar ab, bevor es kollabierte.
Russland und Mali hatten im Juni 2024 ein Abkommen über nukleare Zusammenarbeit sowie weitere Vereinbarungen unterzeichnet. Anlass war damals der Besuch des malischen Staatschefs Oberst Assimi Goïta im Kreml, wo er am Montag Präsident Wladimir Putin traf.
Währenddessen wuchsen die Angriffe der Al-Qaida-nahen Gruppen. Sie umgingen die Armee, die russische Militärhilfe und sämtliche Kontrollpunkte – und schnitten Bamako systematisch vom Treibstoff ab. Was als Versuch der Junta begann, die ländlichen Regionen durch Benzinrationierung in den Griff zu bekommen, kehrte sich ins Gegenteil: Motorradtrupps und Geländewagen überfallen seither Tanklaster, zerstören Transporte oder leiten sie um. Die Hauptstadt lebt nur noch von seltenen Konvois unter Militärschutz. Ein Liter Benzin kostet inzwischen mehr als ein Monatslohn. Die Preise für Lebensmittel und Medikamente sind explodiert. Westliche Staaten haben ihre Diplomaten evakuiert. Die Stadt steht praktisch unter Belagerung.
Die russischen Söldner, die Mali eigentlich stabilisieren sollten, kämpfen längst nicht mehr. Moskau setzte Offensive und Patrouillen aus, nachdem Goïta sich weigerte, zusätzliche Rohstoffrechte abzugeben. Erst der Bau einer gemeinsamen Goldraffinerie – 62 Prozent malisch, 38 Prozent russisch – brachte wieder Bewegung in das Verhältnis. Doch das Projekt existiert bisher nur als Plan. Niemand weiß, ob es jemals in Betrieb gehen wird. Die Realität sieht anders aus: Die russisch unterstützte Regierung kontrolliert nur noch Bamako und einige Goldgebiete. Der Rest des Landes gleitet ab, Dorf für Dorf.
Die Dschihadisten nutzen dieses Vakuum. Sie greifen in ganz Mali an, dringen bis nach Nigeria vor, verdienen an Gold, Schmuggel und Entführungen. Sie fordern die Bevölkerung offen zum Aufstand gegen die Regierung auf. Die Junta reagiert mit Misstrauen, Razzien und Schuldzuweisungen – aber nicht mit Lösungen. Dass Teile der Landbevölkerung Al-Qaida unterstützen, liegt nicht nur an Ideologie, sondern an der Angst vor Armeeoperationen, die in den vergangenen Jahren von russischen Söldnern begleitet wurden und in vielen Regionen brutal eskalierten.

Jama’at Nasr al-Islam wal-Muslimin ist der Al-Qaida-Ableger in Afrika
Das Bild ist eindeutig: Ein Regime, das sich von Moskau abhängig machte, steht kurz davor, die Hauptstadt zu verlieren. Und sollte Bamako fallen, würden die Goldminen in die Hände von Al-Qaida geraten – ein Albtraum für alle, die glauben, man könne Dschihadisten allein mit Gewalt eindämmen. Weder Russland noch die malische Führung haben gezeigt, dass sie der Lage gewachsen sind. Im Gegenteil: Die russische Präsenz hat Konflikte verschärft, Misstrauen vertieft und die Armee geschwächt. Die Entscheidung, auf Söldner statt auf ein funktionierendes politisches System zu setzen, rächt sich nun.
Bleibt die Junta handlungsunfähig, könnte Mali vor einem dritten Putsch stehen. Doch wer glaubt noch daran“ Vielleicht noch eine Regierung, die versucht, sich mit Al-Qaida auf einen Handel einzulassen: Frieden gegen Ressourcen. Doch die Geschichte Malis zeigt, wie hoffnungslos dieser Weg ist. Wer Extremisten bezahlt, stärkt sie. Wer ihnen Land überlässt, verliert sein eigenes. Mali steht an einem Abgrund, den viele kommen sahen und den niemand verhindern wollte. Und für den Kreml, der sich in Afrika als neue Schutzmacht inszenieren wollte, ist dieser Abgrund inzwischen auch der eigene.
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