Die Welt ist wieder einen Schritt weiter in Richtung gefährliche Erwärmung – aber nicht im Kampf dagegen. In Belém, mitten im Herzen des Amazonas, endete die diesjährige UN-Klimakonferenz mit einem Ergebnis, das viele Delegationen fassungslos zurückließ. Die Staaten einigten sich darauf, mehr Geld für jene Länder bereitzustellen, die bereits heute massiv unter Stürmen, Fluten und Dürren leiden. Doch das zentrale Thema, das eigentlich im Mittelpunkt stehen müsste – der Ausstieg aus fossilen Energien –, fehlt im Abschlussdokument vollständig. Keine klare Formulierung, kein verbindlicher Plan, nicht einmal das Wort selbst wurde erwähnt.
Dabei hatte Brasilien zum Schluss mehrere Textvorschläge vorgelegt, die zumindest einen Rahmen für die Zukunft schaffen sollten. Doch als die fast finale Fassung auf dem Tisch lag, zeigte sich, wie weit die Interessen der Staaten auseinanderliegen. Die Ursache der Krise wurde ausgeblendet, als hätte man Angst, sie überhaupt zu benennen. Die Gastgeber versprachen, gemeinsam mit Kolumbien später ein zusätzliches Papier zu erarbeiten, das den Fahrplan weg von Kohle, Öl und Gas beschreibt. Doch dieses Dokument wird nicht die gleiche Wirkung haben wie ein offizieller Beschluss der COP30 – es wird eine Empfehlung sein, kein bindender Wegweiser. Der Weg zu diesem Abschluss war mühsam. Die Delegierten saßen mehr als zwölf Stunden in nächtlichen Besprechungen im Büro des Konferenzpräsidenten André Corrêa do Lago, bevor schließlich ein Kompromiss zustande kam. Er nannte das Ergebnis einen Anfang. Die schwierigen Gespräche, sagte er, würden unter Brasiliens Führung weiterlaufen, auch wenn sie in diesem Text nicht sichtbar seien. Ein Ausblick, der eher nach Durchhalteparole klingt als nach Fortschritt.
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Viele sprachen von einem Tiefpunkt, einem Dokument ohne Kraft und ohne Mut. Der ehemalige philippinische Unterhändler Jasper Inventor, inzwischen bei Greenpeace, nannte das Ergebnis „schwach“. Panama ging noch weiter. Dessen Vertreter Juan Carlos Monterrey Gomez sprach davon, dass eine Entscheidung, die das Wort „fossile Energien“ nicht einmal ausspreche, nicht neutral sei, sondern „Komplizenschaft“. Er warf der Konferenz vor, die Wissenschaft aus dem Text gestrichen zu haben, „weil sie die Verschmutzer stört“. Damit bringt er etwas auf den Punkt, das viele in Belém spürten: Die Welt bewegt sich in einem Tempo, das mit der Realität der Klimakrise nichts zu tun hat. Die Länder, die am wenigsten zu den Emissionen beigetragen haben, bekommen mehr Unterstützung – aber weiterhin keine Antworten darauf, wann und wie die großen Verursacher ihren Ausstoß endlich senken sollen. Der Konflikt zwischen Anspruch und Ergebnis war selten so sichtbar wie in diesen Tagen im Amazonasgebiet.
Nun bleibt ein Dokument zurück, das den Betroffenen etwas Erleichterung verspricht, aber der Welt keinen klaren Weg weist. Die Diskussion, die hätte geführt werden müssen, wurde vertagt. Die Entscheidung, die hätte fallen müssen, blieb aus. Und wieder geht ein Jahr verloren, in dem die Erde wärmer wurde und Millionen Menschen verwundbarer.
Die Konferenz ist vorbei. Die Krise ist es nicht.
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