Ein Urteil mit Sprengkraft – warum eine Bundesrichterin Trumps Hauptstadt-Einsatz stoppt

VonRainer Hofmann

November 21, 2025

Washington erlebt in diesen Wochen einen Konflikt, den es in dieser Form noch nicht gesehen hat: ein Präsident, der die Nationalgarde monatelang auf den Straßen der Hauptstadt patrouillieren lässt – und ein Bundesgericht, das nun eine klare Grenze zieht. Die Entscheidung der Richterin Jia M. Cobb, Case No. 1:25-cv-03005-JMC – U.S. District Court for the District of Columbia, ist weit mehr als eine juristische Fußnote. Sie ist ein Einschnitt in eine Auseinandersetzung darüber, wie weit ein Präsident gehen darf, wenn er lokale Behörden übergeht und die Kontrolle über Polizei und Sicherheitskräfte an sich zieht. Cobb ordnete am Donnerstag an, dass die Trump-Regierung den Einsatz der Nationalgarde in Washington, D.C. beenden muss. Die Richterin stellte fest, dass der Präsident mit seiner Anordnung die Befugnisse der Stadt verletzt hat. Washington besitzt trotz seines Sonderstatus eigenständige Rechte zur Selbstverwaltung – und genau diese sah Cobb massiv beeinträchtigt. Die Nationalgarde sei nicht dafür da, dauerhaft Straßenzüge zu bewachen oder Routineeinsätze zu übernehmen, wenn die Stadtregierung dem nicht zugestimmt hat. Weil die Tragweite des Falls enorm ist, setzte Cobb ihre Entscheidung für 21 Tage aus, damit die Regierung Berufung einlegen kann – bis zum 11. Dezember 2025, wie im Gerichtsbeschluss ausdrücklich festgehalten ist.

Geklagt hatte der Generalstaatsanwalt von Washington, Brian Schwalb. Für ihn war der Einsatz ein monatelanger Eingriff in die städtische Ordnungsmacht. Er verlangte nicht nur das Ende der Operation, sondern ein klares Verbot weiterer Einsätze ohne Zustimmung der Stadt. Mehrere Bundesstaaten stellten sich auf seine Seite – die Trennlinie verlief dabei erwartbar entlang der Parteigrenzen.

In ihrer 61-seitigen Begründung machte Cobb deutlich, wie sie den Fall bewertet: Ja, der Präsident darf Bundesgebäude schützen. Aber nein, er darf nicht nach Belieben Soldaten zur Kriminalitätsbekämpfung in eine Stadt schicken und erst recht nicht tausende Kräfte aus anderen Bundesstaaten entsenden. Genau das hatte Trump getan. Im August erklärte er einen „Kriminalitäts-Notstand“, kurz darauf liefen mehr als 2.300 Nationalgardisten aus acht Staaten und dem District selbst Streife – unter Leitung des Heeresministeriums. Zusätzlich kamen hunderte Bundesbeamte hinzu. Für viele Bewohner wirkte es wie eine militärische Dauerpräsenz, die nichts mehr mit einem Notfalleinsatz zu tun hatte.

Besonders brisant ist, was Cobb konkret untersagt hat. Laut Case No. 1:25-cv-03005-JMC, Document 89 sind unter anderem folgende Maßnahmen ausdrücklich verboten:

  • das Schreiben des Army Secretary vom 11. August 2025 an den Kommandeur der DC National Guard,
  • DCNG Permanent Order 25-223,
  • das Memorandum vom 3. September 2025 zur Verlängerung der Mobilisierung,
  • sämtliche Anordnungen, Richtlinien oder Memoranden, die die Verlängerung des Einsatzes bis 28. Februar 2026 ermöglicht hätten,
  • jedes weitere Memorandum zwischen der DC National Guard und anderen Staaten über „Operation Make DC Safe and Beautiful“.

All diese Maßnahmen wurden von Cobb ENJOINED – also untersagt. Gleichzeitig wurden sie STAYED pursuant to 5 U.S.C. § 705, was bedeutet: Die Verbote gelten, sind aber für 21 Tage ausgesetzt, bis die Berufungsfrist endet. Schwalb sprach nach der Entscheidung von einem Wendepunkt. Der Einsatz militarisierter Einheiten im Inland dürfe nicht zur Gewohnheit werden. Jede Normalisierung öffne die Tür für einen Präsidenten, der künftig Soldaten dorthin schicken könnte, wo es ihm politisch nützlich erscheint.

Das Weiße Haus sieht das anders. Sprecherin Abigail Jackson erklärte, Trump habe „umfassende Befugnisse“, die Garde in Washington einzusetzen. Die Klage sei ein Versuch, erfolgreiche Maßnahmen gegen Gewaltkriminalität zu sabotieren. Doch die Regierung lässt dabei bewusst aus, wie untypisch die Konstruktion tatsächlich ist. Washington ist kein Bundesstaat, deshalb hat der Präsident dort mehr Einfluss als anderswo. Diese Sonderstellung nutzte Trump, um Truppen aus republikanischen Staaten zu mobilisieren und zu einem quasi dauerhaften Patrouillendienst zusammenzufassen.

Cobb sieht darin eine gefährliche Entwicklung. Sie stellte fest, dass die Einrichtung einer semi-permanenten Kommandostruktur weit über das hinausgehe, was rechtlich zulässig sei. Aus einem zeitlich begrenzten Notfalleinsatz sei ein Versuch geworden, eine dauerhafte militärische Präsenz zu etablieren. Die Entscheidung reiht sich ein in mehrere Urteile gegen Trumps Einsätze in anderen Städten – Chicago, Portland, Memphis. Nur für Los Angeles existiert bisher ein Urteil zugunsten der Regierung. Besonders heikel ist der Fall in Chicago, der gerade vor dem Supreme Court liegt. Dessen Entscheidung könnte weitreichend festlegen, wie weit ein Präsident künftig gehen darf.

Washington bleibt jedoch ein Sonderfall. Der District of Columbia ist weder Stadt noch Bundesstaat, doch auch hier gilt: Die Selbstverwaltung ist geschützt. Cobb stellte klar, dass der Home Rule Act der Stadt weitreichende Befugnisse einräumt, die nicht einfach ignoriert werden dürfen. Bereits vor wenigen Monaten hatte Schwalbs Behörde erfolgreich verhindert, dass Trump die Kontrolle über die Metropolitan Police übernehmen wollte. Die kommenden Wochen entscheiden, ob der Einsatz tatsächlich endet oder ob die Regierung in der Berufung Erfolg hat. Doch schon jetzt ist deutlich: Der Streit um die Nationalgarde ist längst kein bloßes Sicherheitsproblem mehr. Es geht um die Frage, ob ein Präsident militärische Mittel einsetzen darf, um politische Härte zu demonstrieren – und ob eine Stadt wie Washington dem etwas entgegensetzen kann.

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Helga
Helga
2 Stunden zuvor

Im Moment fällt es mir sehr schwer das alles zu lesen/hören. Mein Verstand packt das nicht mehr. Ich hoffe sehr dass es sich wieder ändert.
In großer Sorge um unsere Welt

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