Es war kurz vor 23:00 Uhr in Washington, als John Cornyn, Republikaner aus Texas, unter Applaus den Saal betrat. Der letzte Senator, auf dessen Stimme alles an diesem Abend ankam, war direkt vom Flughafen Dulles ins Kapitol geeilt. Noch in Mantel und Schal, kaum den Jetlag abgestreift, ging er durch die Reihen, nahm Platz – und drückte den Knopf. Mit seinem „Ja“ fiel die entscheidende Marke: 60 Stimmen für die Wiederaufnahme der Haushaltsberatungen, 40 dagegen. Damit war der Weg frei, den 40 Tage andauernden Regierungsstillstand endlich zu beenden.

Es war kein Sieg, kein Durchbruch im klassischen Sinne – eher das leise Aufatmen einer Nation, die am Rand ihrer Belastbarkeit stand. Seit dem 1. Oktober war die Regierung lahmgelegt, Hunderttausende Beschäftigte ohne Lohn, Flughäfen im Chaos, Lebensmittelhilfen blockiert. Nun, an diesem Sonntagabend, gelang das, was Wochen von Schuldzuweisungen, Pressekonferenzen und taktischem Stillstand verhindert hatten: Bewegung.

Der Schlüssel kam aus der Mitte. Eine Gruppe gemäßigter Demokraten – Jeanne Shaheen und Maggie Hassan aus New Hampshire, Angus King aus Maine – hatte das Terrain bereitet. Sie erklärten sich bereit, die Regierung wieder zu öffnen, auch ohne die von ihrer Partei geforderte Garantie für die Verlängerung der Gesundheitszuschüsse. Ein riskanter Schritt, der viele Demokraten erzürnte, aber die Sackgasse sprengte. Der Mehrheitsführer im Senat, John Thune, griff das Angebot auf, lobte den Mut der drei und sagte in die Kameras: „Die Zeit zum Handeln ist jetzt.“ In der Folge formte sich ein parteiübergreifendes Bündnis. Neben den moderaten Demokraten signalisierten Tim Kaine aus Virginia, Dick Durbin aus Illinois und weitere Senatoren ihre Unterstützung. Durbin erklärte in einer Stellungnahme, er denke an die Fluglotsen, die seit Wochen ohne Bezahlung arbeiteten, und an die Familien, deren Essenszuschüsse in der Schwebe hingen. „Auf Drängen der Demokraten ist dieses Gesetz nicht mehr dasselbe, das wir bereits vierzehnmal abgelehnt haben“, sagte er. „Die Republikaner sind endlich aufgewacht und haben erkannt, dass ihr Murmeltiertag ein Ende haben muss. Dieses Gesetz ist nicht perfekt, aber es geht wichtige Schritte, um den Schaden ihres Shutdowns zu verringern.“
Die Republikaner brauchten fünf Stimmen aus der anderen Partei, um die Hürde zu nehmen. Drei kamen früh: Mike Lee aus Utah, Rick Scott aus Florida, Ron Johnson aus Wisconsin. Dann folgte Angus King, der unabhängige Senator aus Maine, und schließlich – der späte Cornyn. Als er eintraf, standen manche Kollegen auf, andere klatschten leise. 40 Tage Stillstand endeten in einem Moment, der so unspektakulär wie geschichtsträchtig war. Das Abkommen selbst ist ein Kompromiss auf Zeit. Es sieht die Finanzierung zentraler Regierungsbereiche bis Ende Januar vor, darunter Lebensmittelhilfe, Veteranenprogramme und den legislativen Betrieb. Drei Jahreshaushalte sollen sofort verabschiedet werden, über die Gesundheitszuschüsse wird im Dezember gesondert abgestimmt – ohne Garantie, dass sie verlängert werden. Entlassene Bundesangestellte sollen zurückkehren, ausstehende Gehälter nachgezahlt, Bundesstaaten für Notausgaben entschädigt werden. Ein Zusatz von Mitch McConnell verbietet künftig den Verkauf bestimmter Hanfprodukte – ein symbolischer, fast beiläufiger Nachsatz in einem Gesetz, das weit mehr über die politische Verfassung des Landes aussagt als über seine Inhalte.
In den Reihen der Demokraten blieb die Stimmung gespalten. Chuck Schumer sprach von einer „Republikaner-gemachten Gesundheitskrise“ und erklärte, er könne das Abkommen „nicht guten Gewissens“ unterstützen. Bernie Sanders nannte es einen „verheerenden Fehler“. Doch die Realität des Stillstands war stärker als jede Rhetorik. Selbst der progressive Flügel musste erkennen, dass die öffentliche Geduld am Ende war.
Trump selbst, der an diesem Abend von einem Footballspiel zurückkehrte, sagte vor Journalisten nur: „Es sieht so aus, als kämen wir dem Ende des Shutdowns sehr nahe.“ Ein Satz ohne Triumph, ohne Pose, fast beiläufig.
Von den acht Senatorinnen und Senatoren – sieben Demokraten und ein Unabhängiger –, die an diesem Abend mit „Ja“ stimmten, treten zwei bald ab: Dick Durbin und Jeanne Shaheen. Die übrigen, darunter John Fetterman, Catherine Cortez Masto, Maggie Hassan, Tim Kaine, Jacky Rosen und Angus King, müssen sich erst zwischen 2028 und 2030 wieder zur Wahl stellen. Vielleicht fiel ihnen deshalb der Mut leichter, gegen den Druck ihrer Partei zu handeln. Vielleicht spürten sie einfach, dass politische Verantwortung manchmal darin besteht, das Machbare dem Idealen vorzuziehen.

Als das Ergebnis verlesen wurde, fiel im Saal für einen Moment Stille ein. Dann klatschten einige, andere standen auf. Der längste Regierungsstillstand in der Geschichte der Vereinigten Staaten hatte seinen Wendepunkt erreicht – nicht mit großen Worten, sondern mit einem späten Flug aus Texas und einem einzigen, entscheidenden Druck auf den Knopf.
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Da merke ich, ihr habt keinen Moment davon verpasst. Selbst langweilige Themen so zu präsentieren. Toller Artikel mit vielen guten Informationen.
Erst mal gut, so wie es klingt, auch wenn ich das immer noch als gelungene Erpressung seitens der Republikaner einstufe. Die Frage ist, wie das im Dezember gehandhabt wird.
Wenn ich es richtig mitbekommen habe, treten die größten Härten erst nach den midterms in Kraft und wenn Trump die „gewinnt“, gibt es keine regulären Abstimmungen mehr.