Der Preis des Zynismus – Wie die FIFA Trumps und ihre eigene Menschenverachtung vergoldet, die Toten weiter vergisst

VonRainer Hofmann

November 6, 2025

Miami – Es klingt wie eine Satire auf den Zustand der Welt: Die FIFA, jenes Milliardensyndikat aus Funktionären, Konzernen und Staatsmännern, hat die Schaffung eines „Friedenspreises“ verkündet – und will ihn ausgerechnet im Dezember in Washington verleihen. Ein Ort, an dem Donald Trump, der lauteste Kriegstreiber seiner Generation, längst wieder über Wohl und Wehe des Weltgeschehens bestimmt.

Zwei Männer vom gleichen Schlag: Gier, Korruption und Menschenverachtung im Nadelstreifenazug

Gianni Infantino, der FIFA-Präsident, mit dem Dauerlächeln eines Mannes, der zu viele Kameras gesehen hat, nannte es eine „Anerkennung außergewöhnlicher Taten für den Frieden“. Kein Wort über die Millionen, die in den USA unter Trumps Politik hungern, kein Wort über das brutale Vorgehen der ICE-Behörden, über die völkerrechtswidrigen Angriffe auf Venezuela oder den geplanten Ballsaal im Weißen Haus, der längst zum Symbol einer Präsidentschaft geworden ist, die Prunk über Prinzipien stellt. Stattdessen das Versprechen, den Preis „im Namen der Fans weltweit“ zu vergeben – als ob ein Verband, der sich seit Jahren in Korruption und Selbstgefälligkeit verstrickt, noch im Namen der Menschen sprechen könnte. Und es wird interessant sein, herauszufinden, ob die FIFA oder ihre verzweigten Ableger vielleicht ebenfalls Spuren in jenem Spendengeflecht hinterlassen, das Trumps überteuertes Ballsaal-Projekt in Washington finanziert.

Gianni Infantino – Eine Schande für den Sport

Dass Infantino seine Nähe zu Trump an diesem Tag geradezu zelebrierte, war kein Zufall. „Ich habe großes Glück“, sagte er, „ich habe eine hervorragende Beziehung zu Präsident Trump, den ich als engen Freund betrachte.“ Man muss sich das vorstellen: Der Präsident des Weltfußballs lobt ausgerechnet jenen Mann, der internationale Abkommen zerrissen, Hilfsgelder gestrichen und ein Land nach dem anderen bedroht oder beleidigt hat, als Inbegriff von Tatkraft und Wahrheit. Infantino bewundert Trumps „Energie“. Er sagt, Trump „tue, was er sage“, „sage, was er denke“ und „sage, was viele denken, sich aber nicht trauen“. Es ist der Sound der Selbstrechtfertigung, der Klang einer Welt, in der Macht mit Authentizität verwechselt wird. Die FIFA macht daraus ein Programm – ein politisches Komplott, verkleidet als Fest des Fußballs.

Geschichte vergisst nie

Denn dieser Preis ist kein Friedenssymbol. Er ist ein korruptes Werkzeug. Ein goldener Handschlag zwischen einem Verband, der längst jede moralische Autorität verloren hat, und einem Präsidenten, der Krieg, Lüge und Spaltung zur Regierungsform erhoben hat. Die FIFA will den verlorenen Glanz des Fußball-Sports noch über den Schmutz der Macht legen. Sie will, dass eine Milliarde Menschen zusehen, wie Frieden als Show verkauft wird – und Trump sich womöglich selbst beklatscht.

Seit Jahrzehnten hat dieser Verband gelernt, Zynismus in Stadionlicht zu tauchen. Von Katar bis Moskau, von Doha bis Riad hat er jedes Regime bedient, das zahlte und strahlte. Jetzt folgt die Krönung: Ein „Friedenspreis“, der die Heuchelei zum Prinzip erhebt. Während Kriege eskalieren, Demokratien bröckeln und die Opfer der FIFA-Baustellen in anonymen Gräbern liegen, träumt Infantino von einem Fernsehbild, das alles vergessen lässt.

Doch es gibt Dinge, die man nicht vergessen darf. Nicht die Arbeiter, die in Katar starben. Nicht die Stimmen, die mundtot gemacht wurden. Nicht die Funktionäre, die in Luxussuiten den „Geist des Spiels“ besingen, während sie mit Autokraten posieren. Wenn die FIFA jetzt den Frieden ausruft, dann ist das keine Geste – es ist eine Provokation. Die Familie von Jamsed Saphi hat bis heute keinen Cent erhalten. Ihr Sohn starb in der Hitze von Katar, 26 Jahre alt, gesund, verschuldet bis über beide Ohren für einen Job, der ihm das Leben kostete. Saphi verließ Nepal im Juli 2019, um auf einer Baustelle in Katar zu arbeiten. Er nahm einen Kredit über 1.800 US-Dollar auf, um die Rekrutierungsgebühren zu bezahlen, und erhielt danach etwa 330 Dollar im Monat. Am 20. Juni 2022, bei Temperaturen von rund 45 Grad Celsius, brach er zusammen – offiziell an „akutem Herzversagen aufgrund natürlicher Ursachen“. Eine Formel, die in Doha alles und nichts bedeutet. Sie steht auf hunderten, vielleicht tausenden Totenscheinen, die verhindern, dass der Tod eines Arbeiters als das anerkannt wird, was er ist: eine Folge von Überhitzung, Erschöpfung und jahrelanger Ausbeutung.

Die katarische Sterbeurkunde von Jamsed Saphi weist als Todesursache „akutes Herzversagen aufgrund natürlicher Ursachen“ aus – eine Standardformel, die Hitze, Erschöpfung und Arbeitsbedingungen ausklammert. Mit dieser Klassifizierung gelten solche Todesfälle nicht als arbeitsbedingt, wodurch Familien wie die seine bis heute keine Entschädigung erhalten.

Die offiziellen Angaben Katars sprechen von etwa 400 bis 500 Todesfällen unter ausländischen Arbeitern im Zusammenhang mit Projekten rund um die Weltmeisterschaft. Doch Recherchen unabhängiger Organisationen zeigen, dass die Zahl deutlich höher liegen dürfte – realistisch zwischen 1.000 und 1.500. Eine medizinische Studie weist darauf hin, dass bei jungen Migrantinnen und Migranten im Baugewerbe Katars die Todesrate durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den heißen Monaten um bis zu 58 Prozent über dem globalen Durchschnitt lag. Das sind keine Zufälle, sondern systematische Risiken, die nie wirklich untersucht, nie offiziell anerkannt und nie entschädigt wurden.

Die FIFA kennt diese Zahlen. Sie kennt die Berichte, die Fotos, die Namen. Sie weiß, dass Arbeiter ihre Pässe abgeben mussten, monatelang ohne Lohn blieben und in Containern lebten, während sie die Stadien errichteten, in denen die Welt jubeln sollte. Doch Gianni Infantino spricht lieber von „sozialen Fortschritten“ und „Reformen des Kafala-Systems“. Wohlstand durch Fußball, Wandel durch Turniere – so lautet seine Formel. In Wahrheit bedeutet sie Profit durch Ausbeutung.

Während die FIFA Milliarden einnimmt und sich in Hochglanzstatements von Verantwortung freispricht, sitzen in Nepal Mütter vor unbezahlten Rechnungen und warten auf Entschädigungen, die nie kommen. Menschenrechtsorganisationen forderten einen Fonds über 440 Millionen Dollar – die gleiche Summe, die an Preisgeldern für das Turnier ausgeschüttet wurde. Doch der Verband lehnte ab. Offizielle Begründung: Katar habe „eigene Mechanismen“. In Wahrheit ist es ein Apparat der Verschleierung, der jeden Tod archiviert, als wäre er nie geschehen – kalt, berechnet, perfekt organisiert im Dienst der Straflosigkeit. Und als die Kritik lauter wurde, stellte sich Infantino vor die Kameras und sagte: „Heute fühle ich mich katarisch, ich fühle mich arabisch, ich fühle mich afrikanisch, ich fühle mich homosexuell, ich fühle mich behindert.“ Es war ein Satz, der als Geste der Weltoffenheit gemeint war – und doch alles offenbarte, was die FIFA längst verloren hat: Scham, Maß und Menschlichkeit. Die FIFA wird niemals zugeben, dass sie auf Blut gebaut ist. Aber jeder Totenschein wie der von Jamsed Saphi ist ein Beweisstück. Ein Dokument der Schuld – sauber gestempelt, beglaubigt und wegerklärt.

Jeder, der ein Fußballstadion betritt, sollte sich fragen, ob sein Eintrittsgeld nicht bei den Familien der Toten besser aufgehoben wäre. Sie hätten mehr davon – und vielleicht blieben dann einige Ränge leer, aber die Menschlichkeit wäre endlich wieder auf dem Platz.

Man kann diesen Preis nicht reformieren, man kann ihn nur boykottieren. Man kann diesem Schauspiel nur den Rücken kehren, wenn man den Fußball nicht endgültig den Zynikern überlassen will. Der Sport, der einst Menschen verband, ist zum Werkzeug derjenigen, die Spaltung und Machtmissbrauch leben. Viele Fußballer haben den Bezug zur Realität und Fans schon lange verloren. Am 5. Dezember in Washington wird die FIFA also Frieden inszenieren – mit Kameras, Konfetti und vielleicht mit Donald Trump auf der Bühne. Es wird der teuerste und einer der ekelhaftesten Werbespots der Weltgeschichte sein, finanziert mit den Träumen jener, die an den Fußball glauben. Und es wird ein Moment sein, in dem man versteht, dass dieser Verband längst keine Spiele mehr organisiert – sondern die Welt, wie sie den Mächtigen gefällt.

Wer Frieden wirklich sucht, sollte an diesem Tag den Fernseher ausschalten.

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Helga M.
Helga M.
2 Stunden zuvor

😡🤮

Irene Monreal
Irene Monreal
1 Stunde zuvor

Boah, Rainer – Dieser Artikel!
Wenn man erstmal 10 Minuten auf das Kommentarfeld starrt und die Gedanken zwischen Tobsuchtsanfall und Würgereiz keinen Faden finden…!
Wenn Trump also alle Länder dieser Welt kompromittiert, erpresst, ausbeutet, einige davon, je nach Laune, kriegerisch „erbeutet“,
ja, dann braucht es natürlich einen alternativen „Friedenspreis“ einer Nicht-Nation – denn es ist keiner mehr da, der ihn ehren könnte.
In diesem Fall glaube ich ja fast eher, Infantino bekommt Geld von Trump, obwohl es bei dieser Gesinnung auch schon egal ist. Beide wollen absahnen und beide tun das auf Leichenbergen. (Noch) nicht, indem sie aktiv töten, aber in ihrer Verachtung für die Opfer gibt es keine Grenzen mehr.

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