In Washington herrscht wieder jene Stille, die lauter ist als jedes Argument. Sie zieht durch die langen Gänge des Kongresses, durch die leeren Metrostationen der Hauptstadt, durch die geschlossenen Tore der Nationalparks – und sie klingt nach etwas, das größer ist als ein politischer Konflikt. Zwei Wochen dauert der Stillstand der amerikanischen Regierung nun schon an, und langsam wird spürbar, dass es diesmal kein gewöhnlicher Shutdown ist.
Präsident Donald Trump hat aus einer Haushaltskrise ein Machtinstrument gemacht. Über 600.000 Staatsangestellte sind beurlaubt oder arbeiten ohne Lohn. Weitere 4.000 werden endgültig entlassen – ein Schritt, den das Weiße Haus offen als Teil seiner Kampagne zur „Verschlankung der Regierung“ bezeichnet. In Wahrheit ist es ein Versuch, Druck auf den Kongress auszuüben, indem man das Rückgrat des Staates in Geiselhaft nimmt.

„Das ist kein Unfall, sondern eine bewusste Entscheidung“, schrieb der demokratische Senator Mark Warner aus Virginia. „Die Republikaner halten Bundesangestellte als Geiseln, um ihre Agenda durchzusetzen – auf Kosten von Millionen Amerikanern.“
Warner und sein Kollege Tim Kaine vertreten einen Bundesstaat, in dem mehr als 400.000 Menschen direkt oder indirekt für die Bundesregierung arbeiten. Normalerweise gehören sie zu den Politikern, die in solchen Situationen versuchen, einen Kompromiss zu finden. Diesmal aber lehnen sie ab – und ihre Härte spiegelt die Stimmung in den Fluren der Ministerien und Behörden wider.

„Die Leute hier sagen: Du kannst uns nicht mehr bedrohen, du tust es ja ohnehin“, sagte Kaine. „Seit dem 20. Januar werden wir attackiert – da verliert selbst die Drohung an Glaubwürdigkeit.“
Der Präsident als Erpresser
Trump selbst scheint auf Eskalation zu setzen. Er drohte, beurlaubten Beschäftigten das gesetzlich garantierte Nachgehalt zu verweigern, und kündigte an, Programme zu kürzen, die von Demokraten besonders unterstützt werden – etwa Zuschüsse im Gesundheitswesen und Mittel für Sozialprogramme. Offiziell soll das den „Druck auf die Opposition erhöhen“. In Wahrheit vertieft es nur die Gräben. Der politische Preis ist hoch. Während der Präsident auf Truth Social gegen „faule Beamte“ hetzt, kämpfen Hunderttausende Familien mit den Folgen seiner Strategie. Am Freitag erhielten viele von ihnen ihre letzten Gehaltsabrechnungen – bereits reduziert, weil die ersten Tage des Shutdowns darin fehlten. Nächste Woche werden auch die Soldaten keine Zahlungen mehr erhalten.
„Jetzt wird es real“, sagte der republikanische Mehrheitsführer John Thune am Freitag in einer Pressekonferenz. Er versuchte, die Verantwortung den Demokraten zuzuschieben – doch selbst in den Reihen seiner Partei wächst der Unmut. Eine Anruferin aus Fort Belvoir, die sich als republikanische Soldatenfrau identifizierte, stellte den republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses live auf C-SPAN zur Rede: „Sie könnten das stoppen. Sie könnten einfach beschließen, dass das Militär bezahlt wird. Und ich finde es unerträglich, dass jemand mit einem Sechsstelleneinkommen das hier Familien antut, die von Gehalt zu Gehalt leben.“ Siehe auch unseren Artikel: „Der Sold, der nicht kommt – Was geschieht, wenn ein Land seine Soldaten nicht mehr bezahlt“ unter dem Link: https://kaizen-blog.org/der-sold-der-nicht-kommt-was-geschieht-wenn-ein-land-seine-soldaten-nicht-mehr-bezahlt/
Der Stillstand als Spiegel
Die menschliche Dimension dieser politischen Taktik ist inzwischen kaum zu übersehen. In indianischen Gemeinden wurden Gesundheitsprogramme gestrichen – Diabetesmonitoring, Telemedizin, Reiseerstattungen. Larry Wright Jr. vom National Congress of American Indians nennt die Lage „den Kanarienvogel im Bergwerk der amerikanischen Demokratie“. Wenn die Regierung stillsteht, sagt er, „spüren wir es zuerst“. Auch die Landwirtschaft ächzt. In Iowa, Missouri und Kalifornien stehen Bauern vor leeren Büros der Landwirtschaftsbehörde. Sie brauchen Kredite, Daten, Preisprognosen – doch die Türen bleiben verschlossen. „Wir planen das nächste Jahr, aber wir wissen nicht, ob es für uns überhaupt eines gibt“, sagt Joe Maxwell, ein Farmer aus Missouri. Die Zölle, die Inflation und nun der Shutdown drohen, die amerikanische Landwirtschaft in eine existenzielle Krise zu stürzen.
Inzwischen melden sich auch Fluglotsen, Umweltbeamte und Steuerangestellte. Kontrolltürme werden zeitweise unbesetzt gelassen, beim Internal Revenue Service wurde fast die Hälfte der Mitarbeiter beurlaubt, in den Büros der Umweltbehörde EPA ruht die Arbeit an der Überwachung von Trinkwasser. Sogar die Projekte, die von Bundesgenehmigungen abhängen – Brücken, Bauvorhaben, Infrastruktur –, beginnen sich zu stauen.

Politik der Erschöpfung
Die Strategie des Weißen Hauses ist durchsichtig: Druck erzeugen, Schmerz verursachen, Empörung abwarten – und dann behaupten, man sei der Einzige, der das Land wieder in Gang bringen könne. Doch diese Rechnung geht nicht mehr auf. Die Demokraten, die der Präsident in die Knie zwingen wollte, zeigen sich entschlossener als je zuvor. „Man kann eine Regierung nicht als Geisel nehmen und erwarten, dass die Demokratie dabei überlebt“, sagte der kalifornische Abgeordnete Adam Schiff. Auch in der Bevölkerung verschiebt sich etwas. Wo frühere Shutdowns noch als parteipolitische Spielchen galten, sehen viele Amerikaner diesmal ein System, das sich selbst blockiert – und einen Präsidenten, der dieses Scheitern als Machtbeweis inszeniert.
Die republikanische Abgeordnete, die den Frust ihres Mannes, eines Soldaten, öffentlich machte, sprach unbeabsichtigt eine Wahrheit aus, die weit über ihre Situation hinausgeht: Die Regierung hat vergessen, dass hinter jeder Statistik Menschen stehen, die ihre Mieten zahlen, ihre Medikamente kaufen, ihre Kinder ernähren müssen.
Das Ende der Verantwortung
Der Shutdown 2025 ist mehr als ein Streit über Geld. Er ist eine Prüfung für das politische Gewissen eines Landes. Wenn ein Präsident bereit ist, das Leben seiner eigenen Angestellten, seiner Soldaten, seiner Landwirte und seiner ältesten Gemeinschaften als Druckmittel zu benutzen, dann ist das nicht mehr Verwaltung – das ist moralische Erpressung im Maßstab einer Nation. Die Stille in Washington ist deshalb keine Pause. Sie ist das Geräusch eines Landes, das langsam begreift, dass Stillstand nicht nur eine politische Krise ist, sondern ein Zustand, den man irgendwann nicht mehr aufheben kann.
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Nur das Internet wird weiter geflutet mit falschen Behauptungen, dass die Demokraten den Shutdown in Kaif nehmen, damit Millionen illegaler Migranten kostenlose Gesundheitsversorgung erhalten.
Diese Desinformation frisdt sich, wie ein Heuschreckenschwarm über einem Feld, in die Köpfe.
Deep fake Videos von Demokraten, die angeblich zugeben, dass es ihnendarum geht. Angeblich hat Gouverneurin Hochul von New York bestätigt, dass unter Biden über 1 Million Illegaler in ihrem Bundesstaat kostenlose Versorgung bekommen hätten.
So wird der Hass der MAGA auf die Demokraten noch größer. Sie begreifen nicht, dass ihre Probleme vom Big Beautiful Bill, den Zöllen und der Machtgier Trumps herrühren.
Für sie wird es immer Schuld von Biden und den Demokraten sein.
Vielleicht sollten sich viel mehr Mitarbeiter, die ohne Geld arbeiten sollen und bicht mal wissen ob sie das Geld im Nachhinein bekommen, krank melden.
Im letzten 35 Tage andauernden Shutdown von Trump waren es vor allem die Fluglotsen ….
…ja das ist ein riesenproblem, aber nicht nur in U.S.
Das stimmt. Auch hier liest man das ständig
Blöde Frage:
Stimmt es, dass ICE-Beamte nicht unter den Shutdown fallen?
ICE arbeitet weiter, auch wenn der Rest des Regierungsapparats stillsteht – nur das Geld fließt erst später.
Wäre die Chance für die, die noch ein Fünkchen Gewissen gaben sich krank zu melden …..