Seit der Mord an Charlie Kirk die Schlagzeilen beherrscht, haben sich Regierung und Medien gierig auf eine Erklärung gestürzt. Links oder rechts, Trump oder Antifa – das Raster ist vorgegeben, und alles, was nicht hineinpasst, wird passend gemacht. Doch die wenigen Menschen, die Tyler Robinson wirklich kannten, zeichnen ein anderes Bild. Es ist das Bild eines jungen Mannes, 22 Jahre alt, still, schwer zu lesen, und doch keineswegs der isolierte Außenseiter, als den ihn viele nun sehen wollen. Uns liegen private Discord-Nachrichten Robinsons vor, die ein seltenes Fenster in seine wirkliche Lebenswelt öffnen. Diese Chats, die er unter den Namen „zealous_monkey_55095“ und „bedbuge inspector“ führte, zeigen vor allem Alltägliches: kleine Scherze, banale Beobachtungen, Katzenbilder, Gaming-Links – und nur vereinzelt Randbemerkungen zur Politik. Robinsons Name tauchte erstmals in einer Nachricht auf, in der er seinen engsten Freunden mit einem lapidaren Satz gestand, es sei „er gewesen gestern an der UVU“. Die Worte – „Es tut mir leid wegen all dem“ – wirkten so grotesk, dass selbst seine Freunde sie zunächst für einen schlechten Scherz hielten. Erst als die Nachrichtenagenturen die Meldung über den Mord an Kirk brachten, fügte sich das Puzzle.

10. September 2025
9/10/25, 15:17 Uhr
„Charlie Kirk wurde angeschossen“9/10/25, 15:44 Uhr
„Tot“9/10/25, 16:40 Uhr
„Ich hab gerade das Video gesehen, verdammt“
„Ruhe in Frieden, schätze ich“
„Der Typ hat es nicht verdient, so zu sterben, traurig“
11. September 2025
zealous_monkey_55095 – 9/11/25, 20:57 Uhr
„Hey Leute, ich habe schlechte Nachrichten für euch. Ich war es gestern an der UVU. Es tut mir leid wegen all dem. Ich werde mich in wenigen Minuten über einen befreundeten Sheriff stellen. Danke für all die guten Zeiten und das Lachen, ihr wart alle so großartig. Danke euch allen für alles.“
Von da an begann die Jagd auf ein Motiv. FBI-Direktor Kash Patel sprach von „linker Ideologie“, die Robinson angeblich verinnerlicht habe. Konservative Kreise stilisierten ihn zum Feindbild, progressive Stimmen wiederum sahen in ihm einen Rechtsaußen. Die mediale Schlacht um die Deutung war eröffnet, bevor überhaupt feststand, wer Robinson eigentlich war. Wer ihm im Alltag begegnete, erinnert sich an einen jungen Mann, der vor allem eines war: unpolitisch. In den Chats schrieb er über Schnee in Utah („Frühling in Südutah“), über Müdigkeit („Ich geh gleich schlafen, bin sehr müde“), oder er postete ein Katzen-Meme mit der Bildunterschrift: „Es steht ‚leichtgläubig‘ an der Decke.“ In einem anderen Chat notierte er beiläufig: „Mir geht es sehr schlecht“ – kein Aufruf zur Gewalt, sondern eine Klage über seine Gesundheit. Auch technische Basteleien beschäftigten ihn. Auf den Kommentar eines Freundes über eine missglückte Monitorhalterung antwortete er mit einem Foto von Schrauben und Bolzen in Beton und schrieb schlicht: „Kenn ich.“ Solche Alltagsbeobachtungen prägen die Mehrzahl seiner Beiträge.

7. Februar 2025
9:05 Uhr
„Musste einen Monitor austauschen, der an einer Wandhalterung angebracht war. Die oberen beiden Befestigungspunkte hätten eigentlich Abstandshalter gebraucht, aber die Person, die die erste Installation gemacht hat, hatte keine – also haben sie einfach so acht Unterlegscheiben übereinander gestapelt, um die Verbindung hinzubekommen, lol.“zealous_monkey_55095 – 13:12 Uhr
„Kenn ich.“
Politische Spuren sind rar und oberflächlich. 2019 schrieb er, Trump sei ein Amtsenthebungsverfahren drohend, „wenn er wirklich die Scheiße begangen hat, deren man ihn beschuldigt“. Am Abend der Wahl 2020 kommentierte er sachlich: „Biden liegt bei den Wahlmännerstimmen vorn, Trump bei den Rohstimmen mit einer Million.“ Auf die Frage, wer wohl gewinnen werde, antwortete er: „Ich bin mir nicht sicher.“ Mehr nicht. Ein anderer Schwerpunkt waren Computerspiele.

Wahl 2020 (3. November 2020)
9:12 PM
„@zealous_monkey_55095 – wer gewinnt die Wahl, du würdest es wissen.“zealous_monkey_55095 9:13 PM
„Biden liegt vorne, was die Wahlmännerstimmen betrifft, aber es gibt noch ein paar Swing States, die nicht fertig ausgezählt sind, genauso wie die gesamte Westküste.
Nach den Rohstimmen liegt Donald mit etwas mehr als einer Million Stimmen vorne.“9:14 PM
„Wer wird wahrscheinlich gewinnen?“zealous_monkey_55095 9:14 PM
„Ich bin mir nicht sicher.“9:15 PM
„Wann werden wir es wissen?“zealous_monkey_55095 9:16 PM
„Nicht vor ziemlich spät, aber wir sollten bis zum Ende der Nacht eine ziemlich gute Vorstellung haben – es sei denn, es ist wirklich knapp oder so.“9:16 PM
„k“
Robinson teilte einen Trailer zu „Helldivers 2“ mit dem Kommentar: „Einen Schritt näher daran, die DRG-Zwerge zu finden.“ Dieselbe Spielwelt erklärt auch die Symbole und Sprüche, die Ermittler auf Patronenhülsen fanden. „Hey Faschist, fang!“ – von Behörden als ideologische Kampfansage gelesen – ist in Wahrheit eine Anspielung auf Helldivers. Auch die drei Pfeile, die als Antifa-Symbol gedeutet wurden, gehören zu diesem Spiel.

Helldivers 2 – „Into the Unjust Deep Dive“
zealous_monkey_55095 – 26.08.25, 17:42 Uhr
„Einen Schritt näher daran, die DRG-Zwerge zu finden.“
Das Leben, das Robinson führte, war komplexer als das Bild, das seine Familie nach außen zeichnete. Seine Mutter lobte ihn auf Facebook in höchsten Tönen. Doch aus dem Freundeskreis heißt es, Robinson sei vermutlich bisexuell gewesen. Belegt ist das nicht, vielmehr handelt es sich um Hörensagen von Menschen, die ihm nahestanden – und zugleich ein Hinweis darauf, wie viele Facetten seines Lebens selbst den Eltern verborgen blieben. Politisch ließ sich Robinson schwer einordnen. Er verteidigte LGBT-Rechte, aber auch das Recht auf Waffenbesitz. Ein „klassischer Linker“ war er ebenso wenig wie ein überzeugter Konservativer. Er war ein junger Mann, der wie viele seiner Altersgenossen zwischen Widersprüchen lebte, ohne sie unbedingt auflösen zu wollen. Seine Freunde beschreiben ihn als freundlich, ruhig, geschätzt. Kein Außenseiter, kein aggressiver Einzelgänger. „Er war kein Rebell, er war kein Märtyrer“, sagt einer von ihnen. „Er war einfach Tyler.“ Und doch bleibt das Unfassbare: die 260 Meilen, die er nach Norden fuhr, um Charlie Kirk zu erschießen. Der Entschluss, das Leben eines Menschen auszulöschen – und danach in die gewohnte Alltagsroutine zurückzukehren. Wie passt das zusammen? Niemand in seinem Umfeld weiß eine Antwort.

12. September 2025
1:58 PM
„Hey zusammen, falls ihr die Nachrichten noch nicht gesehen habt: Tylers Post oben ist wahr. Er wurde heute früher wegen der Erschießung von Charlie Kirk festgenommen.Unabhängig von den schrecklichen Taten, die geschehen sind, müssen wir diesen Moment nutzen, um daran zu denken, dass Gott ein lebendiger und liebender Gott ist, der alle seine Kinder liebt. Gott ruft Sünder dazu auf, seine Heiligen zu werden, und ich bitte euch alle, euch einen ruhigen Moment Zeit zu nehmen, um für Tyler und seine Reue zu beten.
Auch wenn Charlie Kirks Politik für manche nicht akzeptabel war, bitte ich euch, dass wir alle für ihn und seine Familie in diesen verwirrenden Zeiten beten.
Ich liebe euch alle, Gott segne euch.“
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Währenddessen wird die Discord-Gruppe, in der Robinson unterwegs war, von Washington zu einer Art Terrorzelle hochstilisiert. Ermittler sprechen von Radikalisierung, von Netzwerken, von Verschwörungen. In Wahrheit aber sieht man dort vor allem das Gegenteil: Freunde, die sprachlos, entsetzt und ratlos sind. Am Tag seiner Verhaftung schrieb einer: „Unabhängig von den schrecklichen Taten müssen wir daran denken, dass Gott ein lebendiger und liebender Gott ist, der alle seine Kinder liebt. Lasst uns beten – für Charlie Kirk und seine Familie, aber auch für Tyler und seine Reue.“ Diese Realität stört jedoch den politischen Betrieb. Sie passt nicht in die Erzählung von der gespaltenen Nation, die sich in rechts und links aufteilt, in konservativ und liberal, in Freund und Feind. Der Mord an Charlie Kirk zeigt vielmehr, wie gefährlich diese Raster geworden sind. Ein Täter, der nicht ins Schema passt, wird in das Schema gezwängt. Und die Wirklichkeit – widersprüchlich, grau, nicht schwarz-weiß – verschwindet hinter Schlagzeilen.
Tyler Robinsons Tat bleibt ein Rätsel. Sie sagt viel über die Abgründe eines Einzelnen – und noch mehr über eine Gesellschaft, die unfähig ist, mit solchen Abgründen umzugehen, ohne sie sofort in politische Schlachten zu übersetzen. Seine Freunde ringen um Verständnis, nicht um Rechtfertigung. Sie sehen nicht den „linken Extremisten“ oder den „Fanatiker“. Sie sehen einen Menschen, der Fehler hatte, der Geheimnisse hatte, der viel zu still war – und der eine Entscheidung traf, die keiner von ihnen begreifen kann. Vielleicht ist das die verstörendste Wahrheit: Dass selbst diejenigen, die Robinson wirklich kannten, keine Antwort haben. Und dass in diesem Schweigen, in dieser Ratlosigkeit, mehr über Amerika liegt als in allen Parolen, die nun von Washington herab dröhnen.
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Danke für diese Detailrecherche und stimme den zu ziehenden Schlussfolgerungen zu.
Sowohl Opfer, wie Täter werden instrumentalisiert und Mangels eines klar geäußerten Motiv des Täters, wird ein Solches von jenen politischen Kräften konstruiert, welche von diesem Mord profitieren wollen.
vielen dank, es war kein einfacher artikel um es wie es wirklich ist zu „papier“ zu bringen
Diese Mühe der Recherche macht sich außer Euch leider Keiner.
Sein Motiv?
Wenn er darüber schweigt, werden wir es nie erfahren.
Vielleicht wartet er auch auf sein Gerichtsverfahren, wo er vor der Öffentlichkeit mit Medien sprechen kann.
Damit die Wahrheit nicht verdreht wird.
Das wird die Zeit zeigen.
Für MAGA ist klar, ein „guter Republikaner wurde von LGBT indoktriniert und mit links-woken Gedankengut gefüttert“
Die Legitimation um zum Angriff auf alle außerhalb von MAGA zu blasen und Menschen die sich kritisch geäußert haben, bei ihren Arbeitgebern anzuschwärzen.
Trump selber setzte ja noch einen drauf, als er kurz vorm Abflug zu Reportern sagte, „wir werden Euch verfolgen, weil ihr mich unfair behandelt“.
Kirk war kein Guter.
Die Stilisierung zum Märtyrer, das Merchandise, der noch stärkere Hass… das alles wäre in seinem Sinn gewesen.
Die Tragödie ist, dass ein Mensch gewaltsam ums Leben kam.
Etwas was in den USA sehr häufig passiert.
Gerade Kinder bei School Shootings.
Sie bekommen eine Randnotiz in den Nachrichten. Nach 2 Tagen wird, sofern der Täter gefasst oder tot ist, nicht mehr darüber berichtet.
Sie sind die wahren Opfer. (Kirk befand das als Kollateralschaden zum erhalt des 2nd Amandment vollkommen legitim….)