Eine Woche, fünf schwere Niederlagen – Trumps Machtfantasien prallen an der Verfassung ab

VonRainer Hofmann

September 3, 2025

Donald Trump steckt in einer juristischen Serie von Niederlagen, die selbst für seine von Dauerfeuer geprägte Präsidentschaft außergewöhnlich ist. Innerhalb weniger Tage wurde ihm ein zentraler Pfeiler nach dem anderen unter den Füßen weggezogen: Zuerst stoppten Richter die geplante Abschiebung einer Gruppe guatemaltekischer Kinder, dann fiel die Praxis der Schnellabschiebungen fern der Grenze – das Herzstück seiner Migrationspolitik. Kurz darauf kassierte ein Gericht den Einsatz der Nationalgarde in Los Angeles, und nun hat der fünfte Bundesberufungsgerichtshof auch noch seinen Versuch blockiert, Venezolaner unter Berufung auf den Alien Enemies Act massenhaft abzuschieben. Und als wäre das nicht genug, muss er nun auch das berüchtigte ICE-Gefängnisprojekt „Alligator Alcatraz“ in den Everglades zu den Akten legen. Es ist eine Woche, in der die Justiz dem Präsidenten in Serie die Grenzen seiner Macht aufgezeigt hat – so scharf, dass selbst seine Anhänger erkennen müssen, dass politischer Wille allein kein Ersatz für Recht ist.

https://kaizen-blog.org/ein-praesident-auf-der-anklagebank-richter-stoppt-trumps-einsatz-der-nationalgarde-in-los-angeles/ und https://kaizen-blog.org/wieder-ein-kleiner-erfolg-gericht-stoppt-abschiebung-von-guatemaltekischen-kindern/ und https://kaizen-blog.org/das-ende-von-alligator-alcatraz-ein-gerichtsurteil-als-fanal-fuer-rechtsstaat-und-umweltschutz/

Der fünfte Bundesberufungsgerichtshof hat Präsident Trumps Versuch gestoppt, Venezolaner mithilfe des Alien Enemies Act (AEA) im Eilverfahren abzuschieben. Hinter der nüchternen Aktennummer 25-10534 steckt ein Urteil, das die Grenzen exekutiver Macht neu markiert – präzise, knapp, mit direkter Ansage an das Weiße Haus. Die Richter machten unmissverständlich klar, dass Migrationsdruck keine „bewaffnete, organisierte“ Invasion ist und dass der Präsident Kriegsrechtsschemata nicht auf zivile Einwanderungsverfahren stülpen darf. Die einstweilige Verfügung gilt ausdrücklich nur gegen die Nutzung des AEA; andere rechtmäßige Wege der Entfernung bleiben der Regierung offen. Doch die Botschaft ist unüberhörbar: Notstandsrhetorik ersetzt kein Gesetz.

Das Richtergremium sezierte die Eile-Argumente der Regierung dort, wo es weh tut: beim prozessualen Anspruch und bei der Realität moderner Verfahren. „Moderne Due-Process-Lehre verlangt, dass wir entscheiden, welches Verfahren heute – auf Basis der heutigen Tatsachen – geschuldet ist“, heißt es sinngemäß. Anders als 1946 tippt heute niemand mehr auf der Schreibmaschine; E-Filing, Suchmaschinen und digitale Aktenrecherche verdichten eine Woche Papierarbeit auf Minuten. Dass die ACLU in diesem Fall „den District Court übersprungen, unser Gericht überholt und binnen Minuten beim Supreme Court Eilrechtsschutz“ erstritten hat, ist für die Richter kein Anekdötchen, sondern Beleg: Wer in 133 Minuten Erleichterung am Supreme Court holen kann, braucht nicht 30 Tage nur für eine rudimentäre Habeas-Petition – die 30-Tage-These sei, so zitieren sie bissig Justice Scalia, „sheer applesauce“. Zugleich verwerfen sie die Behauptung eines Anwaltsengpasses: Zählte die Anwaltschaft 1950 rund 221.000 Mitglieder, so überschritt sie 2024 die Marke von 1,3 Millionen – Shakespeares Spott über „die Anwälte“ kommt vor, aber nur als ironischer Beifang, nicht als Rechtsargument.

Den Dreh- und Angelpunkt bildet die Abgrenzung zum Immigration and Nationality Act (INA). Die Klägerseite wollte „alle Abschiebungen“ den INA-Verfahren unterwerfen. Das Gericht hält dagegen: Der INA erklärt sein Verfahren zur „einzigen und ausschließlichen“ Abschiebungsroute nur, „wenn der Ausländer zugelassen wurde“ – also rechtmäßig nach Inspektion und Autorisierung eingereist ist. Genau das, so die Richter, hätten die Kläger nicht einmal behauptet, geschweige denn mit dem geforderten „klaren Nachweis“ unterlegt. In diesem vorläufigen Stadium reicht das, um die „außergewöhnliche und drastische“ Abhilfe einer einstweiligen Verfügung abzuweisen. Auch die These einer stillschweigenden Verdrängung des AEA durch den INA fällt: Die starke Vermutung gegen implizite Aufhebungen sei nicht überwunden – erst recht nicht auf einem Feld nationaler Sicherheit.

Schlagend wird die Argumentation dort, wo die Richter den Gleichlauf der Systeme prüfen: Für Schnellverfahren nach § 1225(b)(1) INA – also gegen Personen ohne gültige Einreisedokumente oder mit weniger als zwei Jahren Anwesenheit – müssen die Verfahren „in keinem Fall später als 7 Tage“ nach Feststellung der Entfernbarkeit beginnen und enden; der Supreme Court hat daran in Thuraissigiam verfassungsrechtlich nichts auszusetzen. Ein verfassungsrechtlicher Sonderbonus für „alien enemies“ würde den Feind-Status paradoxerweise mit mehr Verfahrensrechten ausstatten als andere Ausländer im beschleunigten Verfahren. Dafür, schreiben die Richter, gebe es „keine verfassungsrechtliche Grundlage“. Die Praxis bestätigt das Bild: Benannte Petenten in Texas reichten Habeas-Anträge binnen zwei Tagen nach Verlegung ein; landesweit gingen Petitionen innerhalb der Sieben-Tage-Fenster ein. Eine Fußnote hält fest, dass etwa 121 mutmaßliche Klassenmitglieder überhaupt dem beschleunigten INA-Verfahren zugänglich wären – ein Detail, das die Regierungslinie unterminiert, an Gerichtstagen aber entscheidend sein kann.

Auch die Nebenkriegsschauplätze werden zugemacht. Die zusätzlichen gesetzlichen Einwände – vom angeblichen Vorrang der INA-Prozeduren über Zurückbehaltungsansprüche bis hin zu behaupteten Verfahrensverstößen im AEA selbst – würden, so das Panel, die vom Supreme Court vorgegebene verfassungsrechtliche Kernfrage umgehen; selbst wenn man sie zuließe, fehle es an dem „klaren Nachweis“ für einen Erfolg in der Sache. Die CAT-Schutzargumente bleiben in der Luft hängen: Das Gericht moniert, es sei unklar, ob die Kläger eigene tragfähige CAT-Ansprüche behaupten oder nur besondere Wege zu deren Geltendmachung fordern – ohne Präzision keine vorläufige Abhilfe.

Politisch ist das Urteil ein Paukenschlag. Juristisch ist es eine Rückkehr zu erster Ordnung: Statuten bedeuten, was sie sagen; Eilverfügungen sind Ausnahme, nicht Regel; technischer Fortschritt beschleunigt Rechtewahrnehmung statt sie zu behindern; Notstandslabels weiten den Verfahrensrahmen nicht aus. Der Fall – W.M.M., F.G.M. und A.R.P. gegen Donald J. Trump in amtlicher Eigenschaft sowie eine Liste von Regierungs- und Haftanstaltsverantwortlichen (vom Justiz- und Heimatschutzressort bis zu den Administratoren von Bluebonnet, Eden, Prairieland und Rolling Plains) – wird zum Lehrstück darüber, wie eng Gerichte die Spur halten, wenn die Exekutive Kriegsinstrumente ins Migrationsrecht trägt.

Dass alles zurück zum Supreme Court geht, steht praktisch fest. Worum es dort geht, ist nun geschärft: Darf ein Präsident das 18.-Jahrhundert-Kriegsrecht als Universal-Schlüssel für Migration einsetzen – oder bleibt die Schwelle „bewaffnete, organisierte“ Bedrohung unüberwindbar? Der 5th Circuit hat die Hürde hochgelegt und die Beweislast dorthin geschoben, wo sie hingehört: zur Regierung. Bis dahin gilt, was dieses Urteil unprätentiös behauptet und gründlich begründet: Rechtsstaat ist Tempo plus Verfahren, nicht Tempo statt Verfahren.

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Ela Gatto
Ela Gatto
1 Monat zuvor

All diese Richter sind mutige und aufrechte Menschen.
Die sich nur an die Verfassung und Gesetze halten und sich nicht den faschistischen Allmachtsphantasien der Trump Regierung beugen.

Leider ist diese letzte Instanz, der Supreme Court ,nur eine Marionette der Trump Regierung.
wahrscheinlich werden, wie in der Vergangenheit, viele Urteile der Vorinstanzen gekippt.

Oder die Trump Regierung hält sich nicht daran.
Welche Exekutive sollte ihn auch daran hinden?
Offensichtlich sind in der Nationalgarde und Army nur noch willfähige Helfer, die vergessen haben, dass sie Ihren Eid auf die Verfassung und nicht auf Trumps-Regime geleistet haben.

In LA hat er juristisch eine Niederlage für den Einsatz der Nationalgarde passiert.
Dennoch zeigt er deutlich, dass er die Nationalgarde in Chicago und anderen demokratischen Städte einsetzen will.

Migranten sind trotzdem bicht sicher.
Sie werden trotzdem aus ihren Autos, beim Einkaufen, vor Schulen und vor dem Gericht verhaftet.
Von Personen, die keine Kennzeichnung tragen.
Niemanden, den nan konkret verantwortlich machen kann.
Und dann sind sie weg …

Alligator Alcatraz schließe. Aber DeSantis kann es nicht abwarten weitere Detention Center zu errichten.
Alabama steht auch bereit.

Und on top hat Trump das Space Command von Colorado nach Alabama verlegt.
Ein weiterer Schlag gegen einen demokratischen Staat..

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