Wie Trumps Regierung Helfer kriminalisiert und Migranten in die Unsicherheit entlässt

VonRainer Hofmann

Mai 23, 2025

Es klingt wie aus einem kafkaesken Theaterstück – und doch ist es die Realität entlang der Südgrenze der Vereinigten Staaten: Dieselbe Trump-Regierung, die humanitäre Helfer öffentlich an den Pranger stellt und ihnen Beihilfe zu Schleusung vorwirft, übergibt ihnen gleichzeitig Migranten zur kurzfristigen Unterbringung. Der Staat droht mit Gefängnis – und bittet zugleich um Hilfe. Willkommen in der schizophrenen Logik einer Migrationspolitik, die nicht auf Ordnung, sondern auf Einschüchterung und ideologischer Härte fußt.

Die Situation eskalierte am 11. März 2025, als die US-Katastrophenschutzbehörde FEMA – eine Unterbehörde des Heimatschutzministeriums – Briefe an Nichtregierungsorganisationen entlang der Grenze verschickte. Darin äußerte sie „erhebliche Bedenken“, dass das Anbieten von Nahrung, Obdach und Transport für Migranten gegen das Anti-Schleusungsgesetz verstoßen könnte. Die Botschaft war klar: Wer hilft, macht sich potenziell strafbar. Organisationen wie Catholic Charities in Laredo, das Holding Institute oder Annunciation House in El Paso wurden in einem Atemzug kriminalisiert und gebraucht.

Rebecca Solloa, Direktorin von Catholic Charities, sagte gegenüber der AP: „Es war beängstigend. Ich will nicht lügen.“ Denn während FEMA mit Ermittlungen droht, liefert ICE – ebenfalls Teil des Heimatschutzministeriums – Tag für Tag Migranten an eben jene Einrichtungen. Allein Catholic Charities nahm nach Erhalt des Briefs täglich acht bis zehn Menschen auf – bis die Mittel am 25. April erschöpft waren und die Einrichtung schließen musste. „Wir hatten auf bis zu 7 Millionen Dollar FEMA-Hilfe gehofft“, so Solloa. „Bekommen haben wir nichts. Stattdessen mussten wir mit fast einer Million Dollar Verlust schließen.“

Im Holding Institute in Laredo ist die Lage ähnlich düster. Der methodistische Pastor Michael Smith spricht von einem „erschreckenden Brief“ und einem „Dilemma“, das eigentlich keines sein sollte: „Es gibt Dinge, die sind einfach das Richtige.“ Und so nimmt das Institut weiterhin Familien aus ICE-Haftzentren in Karnes City und Dilley auf – darunter Menschen aus Russland, Iran, Papua-Neuguinea und China. Auch El Pasos Annunciation House versorgt weiterhin Migranten aus Honduras und Venezuela.

Doch es ist ein Überleben auf Zeit. Das Holding Institute hat seine Mitarbeiterzahl von 45 auf sieben reduziert. Um Kosten zu sparen, werden Mahlzeiten mittlerweile ohne Proteine serviert. In Phoenix hält das International Rescue Committee die Hilfe zwar aufrecht – obwohl auch dort Menschen aus dem völlig überfüllten Krome-Haftzentrum in Miami eintreffen –, aber das Fundament bröckelt.

Die Widersprüche eines Systems

Die Geschichte ist ein Lehrstück über den moralischen Verfall der US-Migrationspolitik unter Donald Trump. Ein Staat, der Not lindern müsste, kriminalisiert Helfer. Ein Präsident, der christliche Werte predigt, lässt kirchliche Organisationen finanziell ausbluten. Und ein System, das sich auf Recht und Ordnung beruft, ignoriert das Chaos, das es selbst geschaffen hat.

ICE, die Einwanderungs- und Zollbehörde, fährt weiter zweigleisig: Einerseits verlangt sie von NGOs, Menschen aufzunehmen – andererseits wirft FEMA denselben Organisationen vor, durch eben dieses Handeln möglicherweise Verbrechen zu begehen. Solloa nennt es einen „Widerspruch“, der kaum auszuhalten ist. Die Situation ist auch ein direkter Angriff auf die Idee, dass Barmherzigkeit einen Platz in der staatlichen Ordnung haben könnte. Die Trump-Administration versucht, ein seit Jahrzehnten bestehendes Gleichgewicht zwischen Behörden und Zivilgesellschaft zu zerstören. Unter Joe Biden arbeiteten ICE und NGOs noch eng zusammen – auch wenn selbst diese Kooperation ihre Schattenseiten hatte, etwa bei Massenfreilassungen an Busstationen.

Nun ist dieses fragile Gefüge einer Politik des Misstrauens gewichen. Und dennoch: ICE ist oft gezwungen, Menschen freizulassen – aus Mangel an diplomatischen Rückführungsabkommen, aus logistischen Gründen oder weil Richter Freilassung anordnen. Familien mit Kindern dürfen laut langjährigem Gerichtsurteil ohnehin nur maximal 20 Tage festgehalten werden. Trump will dieses Urteil kippen.

Die Zahlen sagen alles

Zwischen Februar und April 2025 setzte die Grenzpolizei nur sieben Migranten mit Vorladung auf freien Fuß – im Vergleich zu über 130.000 im gleichen Zeitraum des Vorjahres unter Biden. Doch die Zahlen verschweigen ICEs Anteil – denn dessen Freilassungen sind nicht öffentlich dokumentiert. Ein Schelm, wer dabei an bewusste Intransparenz denkt.

Das perfide Spiel mit der Angst

FEMA hat Zahlungen an Dutzende Einrichtungen landesweit ausgesetzt. Als Gegenleistung verlangt sie detaillierte Dienstleistungsberichte – und eidesstattliche Erklärungen von Leitungsmitgliedern, dass sie keine Kenntnis von Gesetzesverstößen haben. Die Botschaft: Jede Hilfeleistung kann zur Falle werden.

In dieser Atmosphäre der Angst und Kontrolle wird sichtbar, wie eng NGOs und Regierung bisher oft zusammenarbeiteten. Solloa bringt es auf den Punkt: „Wir hatten immer ein gutes Verhältnis zu unseren Partnern in der Bundesbehörde. Aber irgendwann muss man sagen: Ich habe kein Geld mehr. Unsere Organisation ist am Ende. Es tut mir leid – wir können das nicht mehr leisten.“

Was bleibt, ist ein zerrissenes System, das seine Helfer verfolgt, seine Prinzipien verrät und seine Menschlichkeit verkauft. Die Trump-Regierung hat nicht nur die rechtliche Infrastruktur der Abschottung perfektioniert – sie hat auch den moralischen Kompass der Institutionen zerstört, die einst als Bollwerk gegen staatliche Kälte dienten.

Wer Migranten hilft, steht nun zwischen den Fronten.
Die Frage ist nicht mehr, ob das System kaputt ist.
Die Frage ist: Ob es je dafür gebaut wurde, gerecht zu sein.

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