Amerika am 14. August im Ausnahmezustand: Donald Trump: Jenseits der Amtsfähigkeit

VonRainer Hofmann

August 15, 2025

Die Bilder erinnern an Kriegsgebiet, doch es ist Washington D.C. im August 2025. Schwer bewaffnete Nationalgardisten patrouillieren vor der Union Station, Humvees blockieren Straßenkreuzungen, und in den frühen Morgenstunden des 14. August werden 45 Menschen verhaftet – darunter 29, die sich illegal im Land aufhalten sollen. Was sich in der amerikanischen Hauptstadt abspielt, ist beispiellos in der modernen Geschichte der Vereinigten Staaten: Eine demokratisch gewählte Regierung hat die Kontrolle über die Polizei einer Stadt übernommen und verwandelt sie in ein Experimentierfeld für autoritäre Machtdemonstration.

Die systematische Demontage

Was sich wie ein dystopischer Roman liest, ist die neue Realität. Die Bundesregierung hat nicht nur die Kontrolle über die Washingtoner Polizei übernommen, sondern orchestriert eine beispiellose Säuberungsaktion. Obdachlosenlager werden geräumt, ihre Bewohner – Menschen, die bereits am Rande der Gesellschaft leben – werden aus der Stadt verbannt. Wayne Turnage, stellvertretender Bürgermeister für Gesundheit und Soziales, versucht verzweifelt, diesem bundesstaatlichen Bulldozer zuvorzukommen, indem die Stadt selbst einige Lager räumt – wenigstens dann, so seine tragische Logik, können noch Sozialarbeiter involviert werden, bevor die Nationalgarde anrückt. Eine semantische Spitzfindigkeit, die an George Orwells Neusprech erinnert. Denn was ist der Unterschied zwischen einer Verhaftung und einer „temporären Bewegungseinschränkung“, wenn am Ende Menschen in Gewahrsam genommen werden?

Währenddessen eskaliert die Situation in Texas, wo demokratische Abgeordnete seit fast zwei Wochen den Parlamentsbetrieb blockieren, um eine republikanische Neuziehung der Wahlkreise zu verhindern. Es ist ein verzweifelter Akt des Widerstands gegen eine Maschinerie, die darauf ausgerichtet ist, demokratische Prozesse zu manipulieren. Gouverneur Greg Abbott will fünf zusätzliche sichere republikanische Sitze schaffen – eine Roadmap, die Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom nun mit eigenen Mitteln kontern will. Die amerikanische Demokratie verkommt zum Schachspiel der Wahlkreismanipulation.

Das große Illusionstheater

In diesem surrealen Tableau inszeniert Trump ein Oval-Office-Theater zum 90. Jahrestag der Sozialversicherung. Mit der für ihn typischen Realitätsverweigerung behauptet er, sein Steuergesetz würde die Sozialversicherung von Steuern befreien – eine glatte Lüge, wie Journalisten umgehend klarstellen. Die tatsächliche Wahrheit ist noch bitterer: Die Sozialversicherung wird bereits 2034 zahlungsunfähig sein, ein Jahr früher als bisher prognostiziert, teilweise beschleunigt durch Trumps eigene Politik.

Während der Präsident seine alternativen Fakten verkündet, explodieren die Großhandelspreise um 0,9 Prozent – der stärkste Anstieg seit drei Jahren. Seine Importzölle, als patriotische Wirtschaftspolitik verkauft, treiben die Inflation und belasten amerikanische Unternehmen und Verbraucher. Doch Trump, unbeeindruckt von ökonomischen Realitäten, bereitet sich auf sein Treffen mit Putin vor, das er als „große Sache“ bezeichnet, nur um im nächsten Atemzug zu relativieren, das wirklich wichtige Treffen sei das nachfolgende mit Putin und Selenskyj. Die Absurdität erreicht neue Höhen, als das Pentagon erklären muss, dass Verteidigungsminister Pete Hegseth selbstverständlich das Frauenwahlrecht unterstütze – nachdem er ein Video geteilt hatte, in dem christlich-nationalistische Prediger genau dieses Recht in Frage stellten. Dass eine solche Klarstellung im Jahr 2025 überhaupt notwendig ist, spricht Bände über den Zustand der amerikanischen Politik.

Ein Lichtblick in diesem düsteren Panorama kommt ausgerechnet von der Justiz. Bundesrichterin Stephanie Gallagher in Maryland entschied, dass das Bildungsministerium rechtswidrig handelte, als es Schulen und Universitäten mit dem Entzug sämtlicher Bundesmittel drohte, sollten sie ihre Diversitätsprogramme nicht einstellen. Ein kleiner Sieg für die Rechtsstaatlichkeit, der jedoch wie ein Tropfen auf den heißen Stein wirkt angesichts der systematischen Demontage demokratischer Normen.

Robert F. Kennedy Jr., nun Gesundheitsminister und notorischer Impfgegner, reaktiviert derweil ein seit 1998 aufgelöstes Gremium zur „Verbesserung“ der Impfstoffsicherheit – ein euphemistischer Deckmantel für die Verbreitung wissenschaftsfeindlicher Propaganda. Die Groteske wird komplett, wenn Trump behauptet, er habe Los Angeles vor dem Untergang gerettet, indem er die Nationalgarde entsandte, und ohne sein Eingreifen hätten die Olympischen Spiele abgesagt werden müssen.

Die internationale Dimension dieser Farce offenbart sich in Trumps bevorstehender Zusammenkunft mit Putin. Senatorin Jeanne Shaheen warnt eindringlich, Putin spiele mit Trump seit Monaten, überschreite eine rote Linie nach der anderen. Doch Trump, geblendet von seiner Selbstinszenierung als Friedensstifter, weist jeden Gedanken zurück, das Treffen könnte eine Belohnung für Putins Aggressionen darstellen.

In einem besonders kleinlichen Akt persönlicher Rache hat Trump die offiziellen Porträts der Präsidenten Obama und der beiden Bushs aus dem öffentlich zugänglichen Foyer des Weißen Hauses entfernen lassen. Sie hängen nun im Treppenhaus zu seinen privaten Gemächern – ein symbolischer Akt, der die Verachtung für seine Vorgänger und die demokratische Kontinuität demonstriert.

Was sich an diesem 14. August 2025 in Amerika abspielt, ist mehr als die Summe einzelner Skandale und Übergriffe. Es ist die methodische Zersetzung demokratischer Institutionen, die Militarisierung des öffentlichen Raums und die Pervertierung rechtsstaatlicher Prinzipien. Während Obdachlose aus Washington vertrieben werden und die Nationalgarde Monumente „sichert“, während Wahlkreise nach Parteikalkül neu gezogen werden und der Präsident seine eigenen Lügen zur Wahrheit erklärt, stirbt die amerikanische Demokratie nicht mit einem Knall, sondern in einer endlosen Serie kleiner Kapitulationen.

Die 126 Bürgerrechtsorganisationen, die den Kongress zum Eingreifen auffordern, mögen die letzten Verteidiger einer untergehenden Ordnung sein. Ihre Warnung, dass diese Administration „jede Grenze austestet, um ausnutzbare Schwächen in Kongress und Gerichten zu finden“, klingt weniger wie ein Aufruf zum Widerstand als wie eine Grabrede auf die Republik. Amerika, einst das Versprechen von Freiheit und Demokratie, verwandelt sich vor unseren Augen in einen Polizeistaat – und die Welt schaut zu. Donald Trump: Jenseits der Amtsfähigkeit

Investigativer Journalismus braucht Mut, Haltung und auch Deine Unterstützung.

Abonnieren
Benachrichtigen bei
guest
11 Comments
Älteste
Neueste Meistbewertet
Inline-Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Gabi
Gabi
2 Monate zuvor

Genau genommen ist DT doch nicht ganz dicht im Oberstübchen! Bei dem Bullshit, den er jeden Tag von sich gibt, müsste er eigentlich nicht amtsfähig sein, aber ob der Vize besser ist? Ich denke nicht, eher noch radikaler.

IngoD.
IngoD.
2 Monate zuvor

Absurdistan ist Wirklichkeit geworden.

Lea Ofrafiki
Lea Ofrafiki
2 Monate zuvor

 😥 

Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor

Und heute holt er sich bei seinem Buddy Putin noch ein paar Tipps, wie er die Demokratie ganz beseitigen kann.

In den USA bleibt es weiterhin ziemlich still.
Die Meisten scheinen die neue Realität einfach hinzunehmen.
MAGA lacht über die Demonstraten, die immer weniger werden.

Die Welt schweigt ebenso zu all den unglaublichen Vorfällen.
„Wir pflegen eine langjährige transatlantische Partnerschaft, dass können ein paar Diskrepanzen nicht zum Wanken bringen“ … so oder so ähnlich klingen sie, die Staatsoberhäupter der westlichen Welt.

Blind dafür, dass Trump nur macht was ihm nutzt.
Partnerschaft die von Drohungen und Erpressungen geprägt sind?
Partnerschaft mit einem faschistischen Autokraten, der in seinem Land die Demokratie und Rechtstaatlichkeit abschafft?

Die Bilder aus Washington kennt man sonst so nur aus Russland, Nordkorea, China …

Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor

Und ICE patroulliert, nachdem Newsome einen neuen Zuschnitt der Wahlkreise in Kalifornien angedroht hat.

https://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Bewaffnete-Trump-Agenten-tauchen-vor-Newsom-PK-auf-article25967387.html

Carolina
Carolina
2 Monate zuvor

Warum boykottiert man nicht die Olympischen Spiele?

Sascha
Sascha
2 Monate zuvor

Wie haben sich Zeiten verändert, fassungslos

11
0
Deine Meinung würde uns sehr interessieren. Bitte kommentiere.x