In Washington wird derzeit ein politisches Experiment durchgeführt, dessen Sprengkraft weit über die Grenzen des District of Columbia hinausreicht. Donald Trump, der Präsident der Vereinigten Staaten, hat die Metropolitan Police Department (MPD) unter seine direkte Kontrolle gestellt – gestützt auf eine Notfallklausel im Home-Rule-Gesetz, die es dem Präsidenten erlaubt, in angeblichen Krisenfällen die Polizeigewalt zu übernehmen und die Nationalgarde zu entsenden. Was als temporäre Maßnahme getarnt wird, ist in Wahrheit ein beispielloser Eingriff in die Selbstverwaltung einer Stadt, die dem Präsidenten bei der letzten Wahl zu 90,3 Prozent die Gefolgschaft verweigerte. Trump nutzt die Konstruktion eines „Sicherheitsnotstands“, um einen gefährlichen Präzedenzfall zu schaffen: die faktische Militarisierung einer zivilen Hauptstadt gegen den erklärten Willen ihrer gewählten Führung. In einer Stadt, deren Kriminalitätsrate 2024 den niedrigsten Stand seit drei Jahrzehnten erreichte und im ersten Halbjahr 2025 weiter sank, greift der Präsident zu einem verfassungsrechtlich höchst fragwürdigen Mittel – und umgibt es mit martialischer Rhetorik. „Jetzt dürfen sie tun, was zum Teufel sie wollen“, verkündete er über die Einsatzkräfte. Das ist nicht nur eine politische Kampfansage, sondern ein direkter Affront gegen das Prinzip der rechtsstaatlichen Begrenzung staatlicher Gewalt.

Das Bild, das sich auf Washingtons Straßen bietet, ist derzeit noch diffus: FBI- und ICE-Beamte, teils in Zivil, patrouillieren in Ausgehvierteln, die Nationalgarde soll mit 200 Soldaten an strategischen Kreuzungen präsent sein – ohne Festnahmerecht, während die Bundesagenten dieses sehr wohl besitzen. Die Einsatzregie ist klar: keine offenen Massendurchsuchungen wie in Los Angeles, sondern eine Mischung aus verdeckter Präsenz und gezielten Zugriffen. Doch gerade diese Form der „unsichtbaren“ Militär-Polizeipräsenz ist brandgefährlich: Sie entzieht sich öffentlicher Kontrolle, verschiebt das Machtgleichgewicht in Richtung Exekutive und schafft ein Klima latenter Einschüchterung. Menschenrechtlich ist dieser Schritt ein Rückschritt in eine Ära, in der das Gewaltmonopol des Staates nicht mehr von Verfassungsprinzipien, sondern von politischem Kalkül bestimmt wird. Die USA sind Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR), dessen Artikel 21 und 22 das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit garantieren. Diese Rechte dürfen nur unter strengen Voraussetzungen und verhältnismäßig eingeschränkt werden – Bedingungen, die hier offensichtlich nicht erfüllt sind. Der Einsatz der Bundesgewalt zielt nicht auf die Abwehr einer realen Gefahr, sondern auf die Provokation von Reaktionen, um dann unter dem Vorwand „öffentlicher Sicherheit“ repressiver agieren zu können.
Trumps Strategie ist durchschaubar: Er will, dass es knallt. Er will Bilder von wütenden Demonstranten, die er als „Randalierer“ brandmarken kann, um sein Narrativ vom „Recht und Ordnung“-Präsidenten zu untermauern. Washingtons Bürgermeisterin Muriel Bowser warnte ausdrücklich davor, sich in Gewalt provozieren zu lassen, und rief stattdessen dazu auf, die Bewegung für D.C.-Staatlichkeit wiederzubeleben. Denn eine Stadt ohne volle Bundesstaatenrechte bleibt anfällig für genau solche Machtübernahmen – und die Verfassung der Vereinigten Staaten bietet hier nur begrenzten Schutz. Besonders perfide ist, dass Trump diese Maßnahme mit dem „Kampf gegen die Kriminalität“ begründet, während die offiziellen Statistiken genau das Gegenteil belegen. Laut einer Umfrage der Washington Post vom Mai halten zwar 50 Prozent der Bewohner die Kriminalität für „sehr ernst“ oder „extrem ernst“, doch diese Wahrnehmung steht in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Entwicklung. Hier nutzt Trump eine bekannte Dynamik aus: Die subjektive Angst vor Kriminalität ist in vielen Bevölkerungsschichten – insbesondere unter einkommensschwächeren und schwarzen Bewohnern – größer als es die objektive Gefahrenlage rechtfertigen würde.

Hinzu kommt die soziale Komponente. Trump will Obdachlosenlager auflösen, Bewohner in Notunterkünfte oder ins Gefängnis verfrachten und sprach unverblümt davon, „Slums loszuwerden“. Das ist keine Sozialpolitik, das ist soziale Säuberung – eine gezielte Verdrängung der ärmsten Teile der Stadtbevölkerung, die in Washington vor allem aus der schwarzen Arbeiterklasse stammen. Der strukturelle Mangel an gut bezahlten, nicht-akademischen Arbeitsplätzen wird nicht angegangen, sondern mit Polizeigewalt übertüncht. Die verfassungsrechtliche Dimension ist alarmierend: Der Home-Rule-Act erlaubt die Bundesübernahme der D.C.-Polizei zwar formell, setzt ihr aber eine 30-Tage-Grenze, es sei denn, der Kongress stimmt einer Verlängerung zu. In einem polarisierten politischen Klima könnte jedoch schon die temporäre Machtdemonstration ausreichen, um neue Standards zu setzen – und künftige Präsidenten zu ermutigen, bei jeder politisch opportunen Gelegenheit in die Selbstverwaltung unliebsamer Städte einzugreifen. Das widerspricht dem föderalen Geist der US-Verfassung und untergräbt die Gewaltenteilung.

Was wir in Washington sehen, ist mehr als ein Testlauf für autoritäre Stadtpolitik. Es ist ein Versuch, den Ausnahmezustand zu normalisieren – mit Methoden, die dem Geist demokratischer Rechtsstaatlichkeit Hohn sprechen. Wer glaubt, es handle sich um eine einmalige Maßnahme, unterschätzt die Logik der Macht, die Trump hier etabliert: Die Bundesgewalt wird zum Instrument politischer Strafe, die Polizei zum verlängernden Arm eines Präsidenten, der sich an keine institutionelle Zurückhaltung gebunden fühlt. Die Welt hat gesehen, wie fragile Demokratien kippen – nicht durch plötzliche Putsche, sondern durch die schleichende Aushöhlung ihrer Institutionen, begleitet von einer Sprache, die Härte als Tugend verkauft und Freiheit als Störfaktor diffamiert. Washington ist heute ein Labor dieser Methode. Und wer die Verfassung ernst nimmt, sollte verstehen: Hier geht es nicht nur um 30 Tage Polizeikontrolle. Hier geht es um den Kern der republikanischen Ordnung und darum, ob die Menschenrechte in der US-Hauptstadt noch einen festen Platz haben.
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LA war der Testlauf.
DC ist die Steigerung.
Trump hat ja gesagt, dass er noch mehr kriminelle Hochburgen, wie NY, Boston, Chicago auf der Liste hat.
Ausnahmslos demokratische Städte.
Zufall?
Natürlich nicht.
Wie weit kann er noch gehen, bis es vielleicht doch mal richtig knallt?
Und die große Frage ist dann, ob sich die Exekutive daran erinnert, wem sie Treue geschworen hat.
Dem Land und seiner Bevölkerung. Nicht Trumps Visionen.
Chicago ist extrem gefährdet, was wir so aus unseren Kanälen hören
Ich habe gerade ein Video von einem Checkpoint in Washington D. C. gesehen, die Stimmung hochexplosiv, das ist derart beängstigend!
Ich selbst habe eine scheiß Angst und ich kann nicht verstehen, warum diese Bilder nicht bei uns in den ÖRR rauf und runter laufen! Auch wir sind dabei, unsere Demokratie zu verlieren, da gibt es nichts mehr „abzuwarten“ und schon gar nichts zu beschönigen. Wenn die Union mit ihrer völlig verantwortungsbefreiten Führungsriege von wegregieren spricht, meint sie längst „ersetzen“ und selbst das schafft sie nicht. Wir werden demnächst von gleichstarken braunen und dunkelbraunen regiert und keiner macht was. Die SPD muss sich endlich bemerkbar machen, AfD-Verbot, oder sofortige Koalitionsauflösung!
Das Krankenhausbüro läuft wieder, auch wenn man mich hier mit leicht befremdeten Blicken mustert – sei’s drum. In etwa einer Stunde erscheint ein brisanter Artikel über Deutschland. Dass viele große Medien die Bilder aus Washington nicht zeigen, kritisieren wir ausdrücklich. Unsere Leute arbeiten weiter unter teils extrem gefährlichen Bedingungen: Ein Team liefert neues Material aus Washington, zwei weitere versuchen, Aufnahmen aus der Ukraine und Russland herauszubekommen – und lassen sich selbst durch massive Anfeindungen nicht stoppen.