Die US-Inflation hat im Juli auf den ersten Blick stillgehalten – und doch ist das Bild alles andere als beruhigend. Zwar hielten sinkende Benzin- und Lebensmittelpreise die Teuerungsrate in Schach, doch unter der Oberfläche zeigt sich, wie tiefgreifend Präsident Donald Trumps Zollpolitik das Gefüge der Wirtschaft verändert. Die Verbraucherpreise lagen um 2,7 Prozent über dem Vorjahreswert, unverändert gegenüber Juni, aber weit entfernt vom pandemiebedingten Tief von 2,3 Prozent im April. Die Kerninflation, ohne die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise, kletterte hingegen auf 3,1 Prozent und überschreitet damit klar das 2-Prozent-Ziel der Federal Reserve. Es ist die stille Rechnung eines gigantischen Experiments: Trumps universeller 10-Prozent-Zoll auf alle Importe, eingeführt im April, gepaart mit gezielten Strafzöllen auf Länder wie China und Kanada. Brian Bethune von der Boston University errechnet, dass die durchschnittliche Zollbelastung auf den höchsten Stand seit Jahrzehnten gestiegen ist – und in den kommenden Monaten weiter klettern dürfte. Noch federn viele Unternehmen die Mehrkosten ab, doch Experten sind sich sicher: Am Ende wird der Konsument zahlen. Mal direkt, mal subtil – durch „Shrinkflation“, wenn Verpackungen kleiner werden, der Preis aber bleibt.

Die US-Notenbank sitzt damit zwischen allen Stühlen. Der Arbeitsmarkt schwächelt seit dem Frühjahr, und die Finanzmärkte wetten auf eine Zinssenkung im September. Doch mit einer Kerninflation, die steigt statt sinkt, wächst das Risiko, dass Fed-Chef Jerome Powell eine Pause einlegt – sehr zum Zorn des Präsidenten. Trump attackierte Powell erneut und deutete kryptisch an, er könne eine Klage gegen die Fed zulassen, angeblich wegen der Kosten einer Gebäuderenovierung. Der politische Druck auf die Zentralbank ist massiv, die Unabhängigkeit längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Preisdynamik erzählt derweil ihre eigene Geschichte. Benzin verbilligte sich von Juni auf Juli um 2,2 Prozent, auf Jahressicht sogar um 9,5 Prozent. Lebensmittelpreise sanken leicht, bleiben aber höher als 2024. In anderen Bereichen dagegen schlagen die Zölle schon durch: Schuhe verteuerten sich binnen eines Monats um 1,4 Prozent, Möbel um 0,9 Prozent. Kaffee kostet fast 15 Prozent mehr als im Vorjahr – wegen Ernteausfällen, aber auch wegen Importabgaben auf brasilianische Ware. Fast der gesamte US-Kaffeeverbrauch basiert auf Importen.

Hinter den Kulissen gerät das Bureau of Labor Statistics, Hüter der Inflationsdaten, selbst ins Schlingern. Trump entließ dessen Chefin Erika McEntarfer nach einem schwachen Arbeitsmarktbericht und setzte den konservativen Ökonomen E.J. Antoni ein, einen scharfen Kritiker der bisherigen Zahlenpraxis. Ein Einstellungsstopp im Staatsdienst zwingt die Behörde zudem, weniger Daten zu erheben – rund 18 Prozent weniger Preisangaben als zu Jahresbeginn, was die Volatilität erhöhen dürfte. Für Unternehmen wie Princess Awesome, eine kleine Textilmarke für Familienmode, ist das Zollregime ein Überlebenskampf. Die Kosten seien um bis zu 20 Prozent gestiegen, sagt Mitgründerin Rebecca Melsky. Produzieren in den USA? Unbezahlbar für ihre speziellen Stoffe. Also bittet man Kunden um freiwillige Beiträge – ein digitales „Trinkgeldglas“ im Online-Shop. Große Player reagieren direkter: Procter & Gamble hebt im August bei einem Viertel seiner Produkte die Preise um mittlere einstellige Prozentsätze an, Walmart folgt. E.l.f. Beauty, ein Kosmetikhersteller mit Produktion in China, schlug zum Monatsanfang pauschal einen Dollar auf jedes Produkt drauf – erst die dritte Preiserhöhung in 21 Jahren. Noch hält der offizielle Inflationswert dem Druck stand, weil Billig-Tankfüllungen und sinkende Mieten die Bilanz schönen. Doch die tektonische Verschiebung ist im Gange: Laut Goldman Sachs wälzen ausländische Hersteller derzeit nur 14 Prozent der Zölle auf ihre Preise ab, US-Firmen tragen 64 Prozent der Last. Bis Herbst, so die Prognose, werden Verbraucher zwei Drittel der Kosten schultern müssen. Trumps Wette, dass das Ausland für seine Handelspolitik zahlt, verliert zusehends an Glaubwürdigkeit – und jeder Einkauf an der Supermarktkasse wird zum Beweis, dass dieses Zollroulette am Ende doch im Portemonnaie der Amerikaner landet.
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Wie war der Spruch?
Setze eine Kröte ins kochende Wasser und sie wird versuchen zu entkommen.
setze eine Kröte in angenehmer temperiertes Wasser und erhitze es langsam, wird sie sitzen bleiben.
Genau letztere passiert.
Die Preise steigen in den meisten Bereichen nur langsam.
Das Hauptaugenmerk liegt in den USA vir allem auf den Benzinpreisen.
So lange die stabil bleiben oder sinken, ist die (Kröten)Welt in Ordnung.
Leider lesen die, die es sollten, Deine guten Artikel nicht.
…da müssen wir eben geduld haben – danke dir