Frenchtown, ein unscheinbarer Ort mit knapp 2.000 Einwohnern im Missoula County im Westen Montanas, steht exemplarisch für den ländlichen Westen der USA – und für die Hoffnung wie auch die Herausforderungen, die mit dem amerikanischen Unternehmergeist verbunden sind. Die Siedlung entstand im 19. Jahrhundert, als französisch-kanadische Pelzjäger und Trapper das fruchtbare Tal erschlossen und ihm seinen Namen gaben. Lange Zeit lebte Frenchtown vor allem von Landwirtschaft, Holzwirtschaft und später von einer großen Papierfabrik, die über Jahrzehnte größter Arbeitgeber der Region war. Mit der Schließung der Mill im Jahr 2010 verlor der Ort einen Gutteil seiner industriellen Identität und musste sich wirtschaftlich neu aufstellen. Heute prägen kleinere Handwerksbetriebe, Land- und Forstwirtschaft, Tourismus und einige innovative Manufakturen wie die Montana Knife Company das Bild. Politisch ist Frenchtown eher konservativ geprägt – die Mehrheit der Einwohner wählt republikanisch, was für ländliche Gebiete Montanas typisch ist. Gleichzeitig sorgt die Nähe zu Missoula, einer universitätsgeprägten, eher progressiven Stadt, für einen gewissen kulturellen und wirtschaftlichen Austausch. Frenchtown steht damit symbolisch für viele Kleinstädte im amerikanischen Westen: zwischen Tradition und Wandel, mit einer starken Gemeinschaft, aber auch den Unsicherheiten der neuen Wirtschaft.




Es ist eine dieser Geschichten, die alles auf den Punkt bringen, was an der aktuellen US-Handelspolitik so toxisch und kurzsichtig ist. Josh Smith, Gründer und CEO der Montana Knife Company, war einst ein glühender Anhänger Donald Trumps. Er glaubte an das Versprechen, Amerika wieder groß zu machen, die Industrie zu schützen und Arbeitsplätze im Land zu halten. Heute steht er vor den Scherben dieser Illusion – und mit ihm ein wachsender Teil des amerikanischen Mittelstands.


Smith ist kein Außenseiter, kein Theoretiker, sondern ein Paradebeispiel für das, was Trumps Team immer als „Herz der Nation“ bezeichnet: ein Unternehmer, der während der Pandemie in seiner Garage im kleinen Ort Frenchtown, Montana eine Messerfabrik aufbaute und sich ganz auf Qualität und US-Produktion konzentrierte. Seine Firma boomte, während die Politik in Washington von einer Rezession in die nächste taumelte. Doch nun, nach dem Einsetzen von Trumps Zollpolitik, bekommt Smith die geballte Härte dieser vermeintlich patriotischen Agenda zu spüren. Eine hochspezialisierte Schleifmaschine aus Deutschland, eigentlich zum fairen Marktpreis von 515.000 Dollar bestellt, wird dank Strafzöllen um 77.250 Dollar teurer. Nicht etwa, weil Smith billige Massenware importiert – sondern weil es in den USA keine vergleichbare Maschine gibt.

„Bestrafe doch denjenigen, der die Messer in Taiwan und China herstellt – das ist für mich in Ordnung. Aber ich bin derjenige, der Messer in Amerika produziert, Donald Trump. Bestrafe mich nicht dafür, dass ich Messer in Amerika herstelle, indem du meine Ausrüstung und meinen Stahl mit Zöllen belegst. Belege den mit Zöllen, der in Amerika überhaupt nichts macht. Das nennt man Differenzierung in der Politik, und genau das fordere ich.“,
erklärt Smith inzwischen resigniert – und bringt damit auf den Punkt, was im politischen Betrieb längst ignoriert wird. Trumps Zölle treffen eben nicht nur chinesische Dumping-Produkte oder fragwürdige Billigimporte, sondern durchziehen die gesamte Wertschöpfungskette. Stahl, Maschinen, selbst die komplexen Komponenten, aus denen Hightech-„Made in USA“ besteht, werden plötzlich zum Luxusgut. Die Folge: Unternehmen wie Montana Knife Company zahlen immer mehr, investieren weniger, stellen weniger Leute ein und verschieben Innovationen. Am Ende werden die Produkte für alle teurer, der Wettbewerb nimmt ab und der vermeintliche Schutz der eigenen Wirtschaft schlägt ins Gegenteil um. Was als Signal an die Börse verkauft wird – ständiges Muskelspiel, hektische Tweets, künstlich befeuerte Kursrallyes – ist in Wahrheit ein riskantes Spiel mit dem Untergang der realen Wirtschaft.
Wie dramatisch die Auswirkungen sind, zeigen konkrete Preislisten, die bislang kaum öffentlich geworden sind.
Die Dimension dieses Teuerungsschocks zeigt sich exemplarisch an den Preislisten für eine industrielle Vakuumanlage des US-Anbieters Ipsen (siehe Video dieser Dokumentation), die uns vorliegen. Während die Gesamtkosten für einen „Titan H2 12 bar Vacuum Furnace“ inklusive aller Optionen und Ersatzteile im Sommer 2024 noch bei rund 725.000 Dollar lagen, kletterte der Preis für das gleiche System keine zwölf Monate später auf mehr als 850.000 Dollar. Die Ursache: Neben globalen Lieferengpässen treiben vor allem Trumps neue Importzölle die Kosten für Maschinen und Komponenten in die Höhe – selbst bei US-Anbietern. Diese Entwicklung wird in den übersichtlichen Preiszusammenstellungen der Firma Ipsen glasklar: Allein zwischen Juli 2024 und Juli 2025 summiert sich die Differenz auf weit über 100.000 Dollar – eine reale, dokumentierte Mehrbelastung für jedes amerikanische Unternehmen, das in moderne Produktion investieren will. Solche Zahlen sind kein abstraktes Rechenexempel mehr, sondern längst bittere Realität für die US-Industrie – und eine schleichende Gefahr für den gesamten Standort.


Wer glaubt, diese Entwicklung sei ein Randphänomen, irrt gewaltig. Schätzungen zufolge könnten die effektiven Zölle, die Trump zuletzt in Aussicht gestellt hat, in manchen Branchen bis zu 80 Prozent betragen. Wer darauf spekuliert, die US-Wirtschaft könne sich autark und abgeschottet gegen globale Verflechtungen stemmen, lebt in einer Parallelwelt. Der Kollateralschaden ist jetzt schon enorm: Kleine und mittlere Betriebe stehen vor dem Ruin, Großunternehmen schlagen die Mehrkosten einfach auf den Endpreis drauf – oder sie weichen ins Ausland aus.
Noch fataler ist der politische Kontext: Trumps Regierung versteht sich längst nicht mehr als Vertreter gesamtgesellschaftlicher Interessen, sondern agiert wie ein Insider-Club, der Kursgewinne an der Börse und die eigenen Finanzen in den Vordergrund stellt. Insiderhandel, Seilschaften, Leaks an privilegierte Kreise – alles scheint auf die kurzfristige Optimierung des eigenen Profits zugeschnitten. Das Weiße Haus gleicht zunehmend einer Investmentfirma mit angeschlossener PR-Abteilung, die öffentlich Patriotismus predigt, aber privat jedes Schlupfloch für persönliche Bereicherung nutzt.

Diese Entwicklung bleibt international nicht ohne Wirkung. Während Trumps Team immer schamloser die eigenen Märkte abschottet und gleichzeitig auf ausländisches Know-how angewiesen ist, bleibt Europa seltsam zurückhaltend. Anstatt eine klare Strategie gegen die amerikanische Zoll- und Subventionspolitik zu fahren, werden in Brüssel und Berlin endlose Papiere geschrieben, aber kaum politische Konsequenz gezeigt. Genau das spielt Trump in die Hände: Solange Europa nicht ernsthaft reagiert und sich unabhängig macht, kann er seine Klientel bedienen und sich weiter die Taschen füllen.
Die Weltwirtschaft droht im Sog dieser Politik ins Chaos zu stürzen. Protektionismus, Dumpingvorwürfe, Handelskriege, das Zerreißen von Lieferketten – all das führt nicht zu Wachstum oder mehr Wohlstand, sondern zu Unsicherheit, Instabilität und letztlich zum sozialen Sprengstoff. Was mit einem Popanz von „America First“ begann, ist längst zur „Jeder gegen jeden“-Parole verkommen.
Josh Smith, der Messermacher aus Montana, ist mit seinem Schicksal nicht allein. Er steht für eine wachsende Zahl amerikanischer Unternehmer, die begreifen, dass sie für eine Regierung arbeiten, die nur noch eine Agenda kennt: Macht, Profit und maximale Selbstbereicherung. Trumps Zölle sind nicht der Schutzwall gegen Globalisierung, als der sie verkauft werden – sie sind das Fallbeil, das die eigene Wirtschaft langsam und gnadenlos köpft.

Und solange niemand den Mut hat, diesem Kurs entschieden entgegenzutreten, bleibt der amerikanische Traum genau das, was er für viele in diesen Tagen geworden ist: eine verdammt teure Illusion.
Investigativer Journalismus braucht Mut, Haltung und auch Deine Unterstützung.

mein Mitleid mit diesen Trumpwählern hält sich in Grenzen, solange diese seinem Kurs nicht entschieden entgegentreten!
Gerade in ländlichen Regionen wie Montana spielt die Zugehörigkeit zu einer Partei oft seit Generationen eine große Rolle – das ist ein tief verwurzeltes soziales und kulturelles Muster, das sich nicht von heute auf morgen auflöst. Viele Menschen dort erleben Politik eher als Teil der eigenen Identität denn als rationale Wahlentscheidung.
Trotzdem sehe ich es positiv, dass immer mehr Menschen – auch aus traditionell „roten“ Bundesstaaten – beginnen, ihr eigenes Denken zu hinterfragen und sich zum Teil auch öffentlich gegen extreme Positionen stellen. Veränderungen brauchen Zeit und gerade deshalb sollten wir jede Form von Bewegung anerkennen, statt pauschal alle in einen Topf zu werfen. Mit pauschalen Urteilen erreicht man meistens nur das Gegenteil. Es ist gut, wenn Diskussionen kritisch bleiben, aber es hilft auch, zu sehen, wie wichtig der erste Schritt zum Umdenken ist – und dass der Weg dorthin langsam gerade verläuft.
Bruch mit Traditionen und das Hinterfragen der eigenen Denkmuster ist unendlich schwierig. Da kann sich jeder selbst an die eigene Nase fassen. Gehirne lieben Gewohnheiten. Die Dichotomie des politischen Amerikas in Republikaner vs Demokraten ist historisch und gesellschaftlich tief verwurzelt und lässt sich nicht einfach aufbrechen. Es gibt keine Alternativen dazwischen. Sich einzugestehen, dass man einen Fehler gemacht hat, dass man nicht hat kommen sehen – vielleicht nicht sehen konnte, vielleicht nicht sehen wollte – was dieser für Konsequenzen hat, erfordert Mut und auch etwas Zeit. Zuzugeben, dass man sich hat täuschen lassen, fällt niemandem leicht und erschüttert das Vertrauen in sich selbst. Längst nicht alle werden dazu in der Lage sein. Und man darf nicht vergessen, dass das amerikanische Bildungssystem ziemlich lausig ist für diejenigen, die nicht die nötigen Mittel für eine ordentliche Schulbildung aufbringen können. Aber es fängt ein bisschen an zu bröckeln, erste Risse entstehen. Jede Lawine beginnt so, jeder Gletscherabbruch. Zu hoffen und zu wünschen bleibt den Amerikanern, dass es sich nicht in bürgerkriegsähnlichen Zuständen entlädt.
👍
Es passt dennoch wieder „wie gewählt, so geliefert“.
Schon in Trumps erster Amtszeit war das ein Thema.
Und doch wird wieder genau das Gleiche gewählt.
Ich weiß um die Tradition, wie man wählt.
Über Generationen.
Wenn da mal einer aus der Familie abweicht ist das fast schon Blasphemie.
Aber das ist fast nur bei den Republikanern so, dass sie Familie/Freunde ausschließen oder gar verunglimpfen, wenn sie plötzlich demokrstisch wählen.
Bei den Demokraten (außer mit Trump) gab es das Phänomen quasi nicht.
Republikaner sind (erz)konservativ.
Rückwärtsgerichtet. Nicht offen für Neues oder Anderes.
Alles soll doch so bleiben, wie es ist.
Und Trump hat das radikalisiert, mit seiner Maschinerie der Gehirnwäsche.
Verwunderlich ist es nicht, dass es sich in großen Landesteilen nicht ändert.
Gerade im mittleren Westen, geprägt von tiefer (heuchlerischer) religiösität, häufig nur Homeschooling, kommen die Leute kaum aus ihrem Ort raus, geschweige denn mal über die Staatsgrenze.
Wo sollen da neue und kritisch Gedanken herkommen?
Man regt sich jetzt vielleicht auf, aber an der Wahlurne wird dann doch wieder rot gewählt. Weil man das immer so gemacht hat, weil das patriotisch ist und die Demokraten zu links, woke oder was auch immer sind.
Ich kann nur hoffen, dass Eure Aufklärung auch da ankommt.
Um Bewegung in diese Rote Bubble“ zu bringen.
Die Menschen anregen zu hinterfragen. Nicht nur mit dem Kopf zu nicken.
Das braucht Zeit, Zeit die gerade knapp ist
Wir geben da KitKat, so sind wir schon stundenlang durch Indiana mit einem Farmer gefahren, um aufzuzeigen, dass dort kaum noch Trump-Symbole hängen, beenden grade eine Dokumentation aus Holland, alles eine u.a. Zeitfrage. Wird aber in den nächsten Wochen kommen.
Der Unternehmer tut mir nur bedingt leid. Dass Trump Zölle liebt, und die auch in seiner zweiten Amtszeit einsetzen wird, war schon vorher bekannt. Dass Trump nicht viel bewirkt hat in seiner ersten Amtszeit war auch bekannt!
und nur weil man traditionell die Republikaner wählt, sollte man doch vor der Wahl deren Programm hinterfragen und nicht blind vertrauen, dass es schon irgendwie gut geht…
Gut finde ich wenn sich gerade solche Supporter zu Wort melden, hoffentlich lautstark und medienwirksam. Es sind nur leider noch viel zu wenige…
Wir werde noch weiter solcher Dokumentationen veröffentlichen.
Ja und Europa.
Europa ist langsam, schwerfällig und uneins.
Europa kann einfach nicht mit klarer und deutliche Aktion reagieren.
Weder bei der Krim 2014, weder beim blutigen Angriff auf die Ukraine, weder beim Gazakrieg noch bei Trumps Zölle Disaster.
90% hat nicht verstanden, dass die USA unter der derzeitigen Regierung (und wahrscheinlich lange darüber hinaus) nicht mehr der verlässlicher Handelspartner ist.
Trump spielt nur nach seinen Regeln.
Wer keine Stärke zeigt, wird für ihn zum Spielball.
Sie sprechen einen Punkt an, der tatsächlich immer wieder offensichtlich wird: Europa ist als Block oft schwerfällig, uneins und tut sich mit entschlossenem, einheitlichem Handeln schwer – ob beim Umgang mit Russland, dem Gazakrieg oder den amerikanischen Strafzöllen. Tatsächlich hat die EU in den letzten Jahren immer wieder wichtige Momente verpasst, in denen klares Handeln nötig gewesen wäre. Dass viele Regierungen in Europa immer noch davon ausgehen, dass die USA per se ein verlässlicher Partner bleiben, wirkt angesichts der aktuellen Entwicklungen fast schon naiv. Leider ist das Abstimmungsrecht in der EU eine Bremse, gehört dringend reformiert.
Da stimme ich zu 100% zu
Ganz toller Bericht mit tollen Einblicken. Danke
ich danke dir