Es sind Bilder, die man mit Krisengebieten verbindet – nicht mit einer amerikanischen Großstadt. Inmitten der eskalierenden Proteste in Los Angeles gegen Präsident Trumps Einwanderungsrazzien und den Einsatz der Nationalgarde geraten zunehmend auch Reporterinnen und Reporter ins Kreuzfeuer. Mehr als zwei Dutzend Medienschaffende wurden laut Pressefreiheitsorganisationen bereits verletzt, geschlagen oder zeitweise festgenommen. Der Verdacht: gezielte Einschüchterung.
Besonders erschütternd ist der Fall der australischen Journalistin Lauren Tomasi. Sie wurde am Sonntag während einer Live-Schalte von einem Gummigeschoss am Bein getroffen. Auf dem weit verbreiteten Video sieht man, wie sie vor Schmerz aufschreit, sich ans Bein fasst und gemeinsam mit ihrem Kameramann zurückweicht. Später gab sie Entwarnung – sie sei in Sicherheit. Doch das Bild bleibt: Eine Reporterin mit Mikrofon, getroffen aus der Polizeilinie. Laut Reporter ohne Grenzen gab es mindestens 31 dokumentierte Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten – 27 davon durch Sicherheitskräfte. Auch Reporter des New York Post, von CNN und unabhängigen lokalen Medien wie L.A. Taco berichten von gewaltsamen Übergriffen: Ein Fotograf mit einer großen Platzwunde an der Stirn, ein Lokalreporter mit bandagiertem Ellbogen und schmerzender Kniescheibe, ein Fotojournalist, der nach einem Schuss in den Oberschenkel notoperiert werden musste. CNN zeigte ein Video, in dem ein Team mit hinter dem Rücken verschränkten Händen abgeführt wurde – später ließ man sie wieder frei.
Pressefreiheitsorganisationen wie das Committee to Protect Journalists, die Freedom of the Press Foundation und die First Amendment Coalition wandten sich inzwischen in einem offenen Brief an Heimatschutzministerin Kristi Noem. Dort heißt es, dass Bundesbeamte „offenbar gezielt Journalistinnen und Journalisten angegriffen haben, die nichts weiter taten, als ihrer Arbeit nachzugehen“. Eine Reaktion der Ministerin blieb bislang aus. Bruce Shapiro, Direktor des Dart Center for Journalism and Trauma an der Columbia University, spricht von einem besorgniserregenden Muster. Die zunehmende Gewalt gegenüber Medienschaffenden sei seit den Protesten nach dem Tod von George Floyd deutlich spürbar. Damals wie heute werde der journalistische Auftrag oft ignoriert – oder als Provokation verstanden. Viele Freie seien ungeschützt, schlecht vorbereitet, häufig allein unterwegs.
„Es ist nicht wie in einem Kriegsgebiet“, sagt Shapiro, „aber es braucht klare Strategien und ein Bewusstsein für die Gefahrenlage. Der Erste Verfassungszusatz ist nur so stark wie der Schutz jener, die berichten.“
In der Vergangenheit hätten Konfliktparteien oft ein Interesse daran gehabt, dass Reporterinnen und Reporter ihre Sicht dokumentieren. Heute würden sie von vielen als überflüssig oder sogar als Bedrohung wahrgenommen – oder gezielt attackiert, um Angst zu verbreiten. Für Shapiro steht fest: „Wir brauchen sie alle – große Sender, regionale Zeitungen, unabhängige Plattformen. Wir brauchen sie auf der Straße. Aber wir müssen sie schützen.“