„Befreiung“ im Namen des Krieges – Donald Trumps Rede in Fort Bragg und das Ende der republikanischen Maske

VonRainer Hofmann

Juni 11, 2025

Es war als Feier angekündigt – ein Festtag zu Ehren der 250-jährigen Geschichte der US-Armee. Doch was Donald Trump am 10. Juni 2025 in Fort Bragg, North Carolina, ins Mikrofon brüllte, klang weniger nach patriotischer Würdigung als nach einer dunklen Vision der Gegenwart: eine Rede, geschmiedet aus Zorn, Herrschaftsphantasien und dem martialischen Traum, Städte zu „befreien“, die seinem Willen nicht folgen. Der Präsident der Vereinigten Staaten stand an einem historisch geladenen Ort – Fort Bragg, Heim der Green Berets, der 82. Luftlandedivision, des amerikanischen Kriegsgeistes schlechthin. Doch was Trump sagte, war keine Rede an die Nation. Es war ein Schlachtruf gegen die eigene Bevölkerung.

„Wir werden Los Angeles befreien und wieder frei, sauber und sicher machen“, sagte Trump, während Soldaten salutierten und das Publikum jubelte.

Er sprach von „Invasion“, von „fremden Feinden“, von einem Amerika im Krieg mit sich selbst. Die Demonstrierenden in Los Angeles, so Trump, seien „Tiere“ – nicht Bürgerinnen und Bürger, nicht Protestierende, nicht Menschen, sondern Bedrohungen, die mit militärischer Härte ausgemerzt werden müssten. Was hier geschah, war mehr als Rhetorik. Trump hat eine Linie überschritten, die bislang selbst von seinen loyalsten Anhängern nicht ohne Unbehagen betrachtet wird. Der Krieg gegen Migranten, gegen Städte, gegen demokratische Gouverneure nimmt neue Züge an – sprachlich und faktisch.

„Wir werden keine amerikanische Stadt von einem fremden Feind einnehmen und besetzen lassen. Das ist es, was sie sind“, erklärte er.

Diese Worte fielen nicht im Wahlkampf, nicht in einem TV-Interview, sondern auf einer offiziellen Militärveranstaltung, begleitet von Hubschrauberangriffen, Raketenattrappen und Soldaten in Formation. Die Kulisse: ein staatlich organisierter Patriotismus-Jahrmarkt mit Hüpfburgen, Tarnfarben und T-Shirts mit Trumps Gesicht – direkt neben dem Sicherheitszaun auf dem Gelände.

Wer durch die Reihen ging, sah nicht nur Armeemitglieder und Veteranen, sondern auch Verkaufsstände voller Wahlkampfartikel. Es war ein Event, das eine Armee feiern sollte – und eine politische Bewegung zelebrierte. Trump hat das Militär zum verlängerter Arm seiner Kampagne gemacht, zur Bühne seiner narzisstischen Revision. Verteidigungsminister Pete Hegseth, ein ultrakonservativer Hardliner, flankierte den Präsidenten nicht nur mit Uniform, sondern mit Worten:

„Wir sind keine Universität. Wir haben kein Interesse an eurem woken Müll und politischer Korrektheit.“

Die Menge jubelte. Denn Hegseth wusste, was Trump hören wollte – und was das Publikum erwartete. Was hier zur Sprache kam, war nicht nur ein Angriff auf Kalifornien oder auf den Gouverneur Gavin Newsom, der beim Bundesgericht eine einstweilige Verfügung gegen den Militäreinsatz beantragt hat. Es war ein Angriff auf die demokratische Idee selbst. Wer protestiert, wird nicht gehört – er wird entmenschlicht. Wer widerspricht, wird nicht widerlegt – sondern unterworfen.

„Demokratie steht unter Beschuss – und zwar direkt vor unseren Augen“, sagte Newsom in einer Rede am selben Abend.

Doch der Präsident schien unbeeindruckt. Während er sich für ein Geburtstags-Militärspektakel in Washington rüstete, kündigte er weitere Deportationen an. Und warnte: Wer bei der Parade protestiere, werde „mit sehr großer Gewalt“ empfangen. Trump nutzte den Tag auch, um eine weitere ideologische Kehrtwende bekanntzugeben: Die Rückbenennung von sieben Militärbasen in den Südstaaten, die unter Präsident Biden ihre konföderierten Namen abgelegt hatten. Fort Robert E. Lee, Fort Hood, Fort Polk – sie alle sollen ihre alten Namen zurückerhalten. Eine politische Rückwärtsgewandtheit, maskiert als Traditionspflege.

„Könnt ihr glauben, dass sie den Namen geändert haben – nur für eine kurze Zeit?“, höhnte Trump. „Wir vergessen das einfach.“

Was zurückbleibt, ist der Eindruck einer Feier, bei der der Anlass zur Nebensache wurde. Die Geschichte der Armee diente nur als Staffage für einen Auftritt, der mehr mit persönlicher Kriegsführung als mit kollektiver Erinnerung zu tun hatte. Robin Boothe, eine 50-jährige Audiologieassistentin, die auf dem Stützpunkt arbeitet und Trump gewählt hat, sagte es so:

„Das war klassischer Trump. Aber ich fand, das hätte man lieber auf einer Pressekonferenz sagen sollen – und nicht an einem Tag wie diesem.“

Doch der Präsident hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er das Militär nicht mehr als neutrales Instrument der Verteidigung sieht, sondern als Teil seiner politischen Ordnung. Ein Werkzeug, um Städte zu „säubern“, Feinde zu „vertreiben“ und sich selbst zu inszenieren – als Erlöser, als Feldherr, als Herr der Truppen. Am Samstag wird er es erneut tun. Panzer auf Washingtons Straßen. Fahnen, Hymnen, Gewaltandrohungen. Die Show zum 79. Geburtstag des Präsidenten. Doch es wird nicht nur eine Parade sein. Es wird ein Fanal – ein Signal an alle, die noch glauben, dass eine andere Sprache, ein anderes Amerika möglich ist.

Denn wenn ein Präsident Los Angeles „befreien“ will, ist es höchste Zeit, sich zu fragen: Von wem eigentlich – und für wen?

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Esther Portmann
Esther Portmann
1 Monat zuvor

Wie und wann wird dieser Wahnsinn gestopt? Es ist zum verzweifeln….

Georg
Georg
1 Monat zuvor

Welcome to the Age of Endarkenment…

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